Es ist fünf vor sieben, der Wecker summt so sanft wie ein elektrischer Nasenhaarschneider durch den Morgen. Dieser Moment, wenn das Summen unhörbar in dein Unterbewusstsein eindringt und du zuerst glaubst, dass du noch immer in diesem Alptraum gefangen bist, in dem du auf einer ewigen Rolltreppe fahrend, Schokoeierchen an grüne Einhörner verkaufen musst. Doch nein, die Realität ist oft genauso absurd.
Da zwingst du dich aus dem warmen, kuscheligen Grab von Bettdecke und Laken, stolperst im Halbschlaf ins Badezimmer, siehst den ersten Morgenstrahl durch die Ritzen des Rollos brechen, drohend wie ein missgelaunter Samurai mit dem Schwert an der Kehle: „Guten Morgen!“
Wer zum Teufel hat sich eigentlich diese zwanghafte Begrüßungsformel ausgedacht? Furchtbar! „Guten Morgen“ – das klingt nach aufgezwungenem Optimismus und dem beständigen Drang, das Leben mit hoffnungsvollen Worten aufzuwerten, selbst wenn dein Bio-Rhythmus schreit „Nur noch fünf Minuten…“.
Und dann erst der kollektive Ruf von Kollegen und Chefs in der täglichen Zoom-Konferenz: „Guten Morgen, Team!“. Warum, oh, warum sind wir da so enthusiastisch, als hätten wir gerade den Lottojackpot geknackt? Die Zeit, in der wir noch ungestört unsere Augenringe betrachten konnten, sind vorbei. Ich sehne mich nach einem „Mittelmäßigen Morgen“. Das würde die Dinge wenigstens ins rechte Licht rücken.
„Guten Morgen“ wird oft als Anstoß für endlosen Smalltalk verwendet. Aber wer will schon von dem hammergeilen Toast, den Opa Heinz letzte Nacht gegessen hat, hören? Und Oma Elfriede, die den Sturm von gestern bezwungen hat, um ihren Zierkohl zu retten? Nicht zu vergessen Onkel Bob, dessen Katze ihre siebzehnte Maus gefangen hat. Toller Stoff für hartgesottene Naturfilmliebhaber – zweifellos, aber unter uns gesagt – wer braucht das schon um sieben Uhr morgens?
Ich meine, kann es uns nicht egal sein, ob der Morgen gut ist oder nicht? Sind wir denn so desperat, dass wir unser Glück an dem kontraproduktiven Willen messen, den Tag schon in den ersten Wachminuten auf möglichst hoher Ebene zu zelebrieren?
Wir brauchen realistischere Alternativen. Wie wäre es mit „Erträglicher Morgen“ oder „Nicht-mehr-ganz-so-tote-Morgen“? Mir tut etwas Ehrlichkeit am Morgen gut. Es würde uns auch Zeit geben, uns geistig überhaupt auf den Tag vorzubereiten.
Und dann erst der Kaffee … wer hat gesagt, dass diese Finsternis in einer Tasse der Schlüssel zu einem guten Morgen ist? Koffein-hungrige Zombies, die verzweifelt nach ihrem ersten Schluck schwarzen Goldes suchen. Unkultivierte Grunzlaute knurren über die Fluren: „Guten Morgen… Kaffee…“. Als wäre der Kaffee ein Heilmittel gegen die Miseren des frühen Aufstehens. Spoiler Alert: Er ist es nicht!
Wenn es nach mir ginge, würde die Welt bis 10 Uhr morgens still stehen. Kein „Guten Morgen.“, kein Grübeln über die Problematik der Welt, kein Smalltalk über Oma Elfriedes Zierkohl. Einfach nur Stille, Ruhe und vielleicht ein „Könnten-wir-das-bitte-nach-10-besprechen-Morgen“ Gruß.
Aber solange wir noch in dieser Welt der frühmorgendlichen Euphorie gefangen sind, wünsche ich Ihnen jetzt schon (aus reiner Höflichkeit, versteht sich) einen guten Morgen. Und ja, ich meine das sarkastisch. Es tut mir leid, wenn ich Ihre Illusionen zerstört habe. Vielleicht brauchen Sie jetzt keinen Kaffee mehr. Wenn das der Fall sein sollte, haben meine Worte nicht umsonst ihren Weg in diesen Artikel gefunden.
Sarkasmus aus. Guten Morgen, Welt.