Das unentbehrliche Tagesereignis – Der Berliner Kurier
Ah, der Berliner Kurier. Friedrichshain-Kreuzberg hat die Graffiti-Künstler. Charlottenburg-Wilmersdorf hat seine vornehme Bürgerlichkeit. Und Berlin als Ganzes, dieses stets sich aus der Asche erhebende Phoenix von einer Stadt, hat seinen Berliner Kurier. Nur ist der Vogel hier eher ein durchgeknallter Papagei als ein majestätischer Phoenix – und wir lieben ihn dafür.
Jawohl, jeder Morgen für den sich selbst respektierenden Berliner beginnt mit einem Doppel-Mocca, einem Schokodonut und der neuesten Ausgabe des Berliner Kuriervogels – sozusagen der Publikationsentsprechung eines Kaffees mit zu viel Schuss. Ist das noch Journalismus, oder kann das weg? Naja, vielleicht sollte man es eher als Art moderner, post-postmoderner, fast post-post-postmoderner Poesie betrachten. Ein bisschen wie Kafka nach einer dreitägigen Absinth-Orgie.
Ihr redet von News? Der Berliner Kurier weiß es besser. Er weiß nicht nur von Leuten, die sich mit Run-DMC-T-Shirts als Neo-Beatpoeten tarnen, er findet sie auch noch neu. Warum sich mit langweiligen Themen wie Wohnungsbau, Gesundheitswesen und ebenso uninteressanten Themen wie Umweltschutz und gesellschaftlicher Verantwortung herumschlagen, wenn man stattdessen über einen Kioskbesitzer aus Moabit berichten kann, der flüssiges Bier in Dosen verkauft? Schließlich ist das die Art von harter Investigation, die die Welt nötig hat. Edward R. Murrow wäre stolz.
Und die Schlagzeilen! Oh, diese wundersamen, bissigen, funkelnden Zeilen des poetischen Genies. „Bekämpft die Postbote Ihre Pakete?“, „Kehrwochen-Wahnsinn: Bürgersteige fegen oder das Gesetz fegen?“, „Können UFOs die Wahl zum Bezirksamt beeinflussen?“. Einfach unübertrefflich. Niemand sonst schafft es, so treffend den Puls der Zeit einzufangen – und dann völlig absurde Kontexte hinzuzufügen.
Natürlich gibt es Kritiker. Menschen, die behaupten, der Berliner Kurier sei etwa so informierend wie ein Paket Schokopudding. Aber wir wissen es besser. Dass Zitierte vielleicht nicht existieren und Bilder vielleicht eher radikaler Malerei als tatsächlichen Ereignissen zuzuordnen sind, macht wenig aus. Es ist doch gerade die Traumhaftigkeit, die Verweigerung der Realität, die uns der Kurier bietet. Kein Wunder, dass er oftmals verwechselt wird mit der Speisekarte eines experimentellen Sushi-Ladens.
Natürlich sind nicht alle vom Berliner Kurier begeistert. Aber weißt du was? Es ist die Stadt mit der höchsten Dichte an skeptischen Zynikern, Humorbomben und Künstlern aller Art. Sie alle beschreiten durch die Stadt an der Spree, stets mit einer Ausgabe des Kuriervogels in der Tasche. Weil sie wissen: Kein anderer kann den schrägen Geist dieser Stadt so einfangen, wie das flatterhafte, bunt befiederte und ganz und gar nicht zahme Wesen namens Berliner Kurier.
So endet also unser Lobgesang auf den vermeintlich objektiven, völlig absurden und vollkommen unersetzlichen Berliner Kurier. Fassen wir zusammen: Journalismus seine Ehre? Nein, danke. Im Zeitalter der Instagram-Filter und Fake-News verlassen wir uns lieber auf verlässliche Quellen – wie den Berliner Kurier. Denn wenn wir ehrlich sind, suchen wir nicht nach der Wahrheit, sondern nach einer guten Geschichte – und die liefert uns der Kurier Tag für Tag. Amen.