Die Universität Harvard erhält durch neue bundesstaatliche Regelungen mehr Entscheidungsfreiheit in Bezug auf Forschungsethikfälle. Diese Änderungen, die am 12. September von dem U.S. Office of Research Integrity bekannt gegeben wurden, zielen darauf ab, den Prozess für Whistleblower zu erleichtern und die Last für die Forschungsintegritätsbüros zu reduzieren.
Diese aktualisierten Richtlinien sind die ersten bedeutenden Änderungen seit 2005 und beziehen sich auf mehrere aktuelle Vorfälle von Forschungsethikverletzungen, die mehrere hochrangige Forscher im Raum Boston betreffen. Die Vorwürfe umfassen unter anderem Fälschung von Daten, was in der wissenschaftlichen Gemeinschaft bereits für Aufsehen sorgt.
Hintergrund der Änderungen
Im Jahr 2023 gab es eine Reihe von Anklagen gegen Führungskräfte des Dana-Farber Cancer Institute sowie gegen einen renommierten Neurowissenschaftler des Brigham and Women’s Hospital. Diese Entwicklungen sorgten für weiteren Druck auf die Aufsichtsbehörden, klare Maßnahmen zu ergreifen. Zu den bemerkenswerten Vorwürfen gehört auch der Fall von Francesca Gino, einer Professorin an der Harvard Business School, deren Tenure im Juli aufgrund von Verdachtsmomenten des Datenmissbrauchs überprüft wurde.
Ein Bundesrichter hat im September die Verleumdungsklage von Gino gegen die Universität abgewiesen, was zusätzliche Fragen zur Transparenz innerhalb der Institution aufwirft.
Kristin Bittinger, die Dekanin für Fakultäts- und Forschungsintegrität an der Harvard Medical School, äußerte sich positiv zu den Änderungen: „Wir sind dankbar für diesen kooperativen Ansatz“, erklärte sie, und unterstrich, dass die neuen Regelungen sowohl für die Verwaltung als auch für die wissenschaftliche Mission von Vorteil seien.
Die neuen Richtlinien erweitern die vorher festgelegten unrealistischen Zeitrahmen und ändern das Vorgehen zur Erstellung eines institutionellen Protokolls, was bedeutend für die Handhabung von Ethikfällen ist.
Einfluss auf die Berichterstattung
Trotz dieser Linderungen gibt es auch kritische Stimmen. Holden H. Thorp, Chefredakteur von Science, äußerte in einem Interview Bedenken, dass die Regelungen nicht ausreichend sind, um institutionelle Transparenz zu gewährleisten. Er merkte an, dass die Formulierung der Regeln schwammig bleibt. Anstelle von „müssen“ sagt die neue Regel, dass Fachzeitschriften „informiert werden dürfen“, was zu einer unklaren Verantwortlichkeit führt.
Außerdem fügte Thorp hinzu, dass es Prioritäten zu Gunsten des institutionellen Ansehens gibt, die möglicherweise wichtiger erscheinen als die Verpflichtung zur Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und anderen Wissenschaftlern. „Ich wäre sehr positiv überrascht, wenn eine Institution das Wort ‚dürfen‘ als Anreiz verstehen würde, uns gegenüber transparenter zu sein“, sagte er.
Die Impulse zur Reformierung dieser Richtlinien kamen, wie berichtet, nach mehr als 200 Kommentaren zu den vorgeschlagenen Änderungen, die von verschiedenen Seiten als zu restriktiv kritisiert wurden. Auch wenn die Harvard Medical School beabsichtigt, ihre Richtlinien entsprechend anzupassen, bleibt unklar, wie genau die neuen Regelungen die tatsächliche Erfahrung und Sicherheit von Whistleblowern beeinflussen werden.
Die Entwicklungen rund um die neuen Richtlinien zeigen, dass die Wissenschaftsgemeinschaft einen offenen Dialog über die ethischen Standards in der Forschung führen muss. Weitere Einzelheiten zu dieser Thematik finden sich in einem ausführlichen Artikel auf www.thecrimson.com.