Im weitläufigen Büro des Instituts für Strukturreformen im Museum Tower von Tel Aviv angekommen, fällt ein auffälliges, rotes Display auf, das mit den Tagen, Minuten und Sekunden der anhaltenden Gefangenschaft der Geiseln rechnet. Diese düstere Erinnerung an die aktuelle Krise prägt die thematischen Überlegungen, die ich mit Shraga F. Biran, dem Präsidenten des Instituts, besprechen wollte.
Biran, ein bemerkenswerter Jurist und Gründer einer der führenden Rechtsanwaltskanzleien Israels, hat sich in seinem neuesten Buch intensiv mit dem Konflikt in Gaza auseinandergesetzt. In diesem Werk, „Liberating Gaza – Breaking the Cycle of Poverty, Fundamentalism, and Terror“ (veröffentlicht von Yedioth Books), analysiert Biran nicht nur die Herrschaft von Hamas über Gaza, sondern auch die komplexen Zusammenhänge zwischen Armut, Fundamentalismus und Terrorismus.
Chinas Rolle im Nahen Osten
Ein zentraler Aspekt von Birans Argumentation ist die Rolle Chinas im Nahen Osten. China hat sich über die Jahre hinweg stark in der Region engagiert, vor allem durch seine Belt and Road Initiative. Dieses massive Infrastrukturprojekt erfordert eine stabile Umgebung, um Chinas wirtschaftliche Interessen, die überwiegend von Energieimporten aus Saudi-Arabien abhängen, zu schützen. Biran betont, dass es im wirtschaftlichen Interesse Chinas liegt, den Konflikt zu beenden.
Darüber hinaus hat China ein wachsendes Interesse daran, den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, zumal es selbst eine muslimische Bevölkerung von etwa 25 Millionen Menschen hat. Der Kampf gegen Terrorismus und Armut ist daher ein gemeinsames Anliegen der großen Mächte, insbesondere der USA und China.
Nach den schockierenden Ereignissen vom 7. Oktober hat China seine diplomatischen Bemühungen fortgesetzt und einen internationalen Friedenstisch gefordert, um die Friedensgespräche zwischen Palästinensern und Israel wiederzubeleben.
Der Weg zur Befreiung Gazas
Für Biran ist es klar, dass der militärische Sieg über Hamas notwendig, aber nicht ausreichend ist. Um den Konflikt zu beenden, muss eine Kombination aus militärischen und politischen Maßnahmen erfolgen. Er plädiert für einen internationalen Ansatz, um Gaza nach dem möglichen Sturz von Hamas wiederaufzubauen. Ein solcher Plan sollte von einer Taskforce unter der Leitung der USA und gleichzeitig unter Einbeziehung Chinas organisiert werden.
Wichtig ist, dass diese Taskforce eine Notstandsregierung einsetzt, die sich auf den Wiederaufbau und das Investitionsmanagement konzentriert. Die wirtschaftliche Stabilität Gazas könnte durch die Nutzung seiner reichhaltigen natürlichen Ressourcen gefördert werden. Biran schlägt zudem vor, dass Investitionen an die Bedingung geknüpft werden sollten, dass Terrorismus erfolgreich bekämpft wird.
Um langfristigen Frieden in der Region zu gewährleisten, ist eine Entmilitarisierung und ein Plan zur De-Radikalisierung der Bevölkerung entscheidend. Ähnlich wie die „Denazifizierung“ nach dem Zweiten Weltkrieg, könnte eine umfassende Strategie auch in Gaza auf ein Umdenken der Bevölkerung abzielen.
Darüber hinaus könnte die Übergangsregierung auch eine wichtige Rolle dabei spielen, die Lebensbedingungen der Bürger zu verbessern, Korruption zu bekämpfen und die Grundversorgung zu gewährleisten — alles Schlüsselthemen, um Gewalt zu reduzieren und langfristige Stabilität sicherzustellen.
Ausblick auf die Zukunft
Abschließend wird die wichtige Botschaft des aktuellen US-Präsidenten Joe Biden hervorgehoben, die darauf basiert, dass wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung entscheidend für den Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus sind. Militärische Lösungen allein können nicht ausreichen, um Frieden zu garantieren. Eine engagierte Zusammenarbeit mit der Gazaner Bevölkerung ist unerlässlich.
Biran hat sich zum Ziel gesetzt, die Wahrheit über den Konflikt ans Licht zu bringen und die Menschen in Gaza zu befreien — eine Haltung, die zeigt, dass trotz der schweren Herausforderungen, die uns die Vergangenheit auferlegt hat, Hoffnung auf Frieden und Kooperation besteht.
Politischer Kontext und seine Auswirkungen
Die politische Situation im Gazastreifen ist seit vielen Jahren komplex und von Spannungen geprägt. Nach dem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 übernahm die Hamas im Jahr 2007 die Kontrolle. Diese Machtübernahme führte zu einem tiefen Konflikt zwischen der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde, die im Westjordanland dominiert. Der innere Konflikt hat die Möglichkeit einer vereinten palästinensischen Regierung untergraben und den Weg für ausländische Interventionen und Machtspiele geebnet.
Diese anhaltenden Konflikte haben auch internationale Reaktionen ausgelöst. Europäische Nationen, die USA und regionalen Mächte wie Ägypten und Jordanien waren gefordert, die Beteiligung an Verhandlungen und die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu koordinieren. Die geopolitischen Interessen des Iran, Saudi-Arabiens und anderer Länder in der Region haben ebenfalls zur Eskalation der Spannungen beigetragen. Der ideologische Kampf zwischen Shiiten und Sunniten wirkt zusätzlich destabiliserend, was zur Verstärkung der radikalen Gruppen im Gazastreifen beiträgt und die Aussichten auf Frieden weiter reduziert.
Wirtschaftliche Herausforderungen im Gazastreifen
Die wirtschaftliche Lage im Gazastreifen gehört zu den angespanntesten weltweit. Laut dem Palästinensischen Zentralbureau für Statistik betrug die Arbeitslosigkeit in Gaza 2022 etwa 47 % und die Armutsquote war alarmierend hoch, wobei fast zwei Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Diese ökonomischen Bedingungen bilden einen fruchtbaren Boden für Extremismus und Radikalismus.
Die Wirtschaft Gazas leidet nicht nur unter den politischen Unruhen und militärischen Auseinandersetzungen, sondern auch unter strengen Blockaden, die den Import von Rohstoffen und Export von Waren erheblich einschränken. Die UN schätzt, dass Gaza in den kommenden Jahren eine humanitäre Katastrophe erleiden könnte, wenn nicht sofortige Maßnahmen ergriffen werden, um die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern. Dies erfordert eine internationale Zusammenarbeit, um wirtschaftliche Initiativen zu fördern, die zu einem nachhaltigen Wachstum in der Region beitragen könnten.
Aktuelle Statistiken zu Konflikten und humanitären Bedingungen
Laut dem UN-OCHA (Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) benötigten im Jahr 2023 etwa 1,6 Millionen Menschen in Gaza humanitäre Hilfe. Die Situation hat sich weiter verschärft, nachdem Gewalt und militärische Operationen zugenommen haben. Die humanitären Bedingungen sind extrem schlecht, da Wasser- und Stromversorgung unzureichend sind.
Darüber hinaus sind die Ausgaben der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung von Projekten zur wirtschaftlichen Stabilität und zur Bekämpfung von Armut im Gazastreifen elend niedrig. Stattdessen ist ein Großteil der humanitären Hilfe oft an politische Bedingungen geknüpft, was zu Verwirrung und Misstrauen führt. Die Notwendigkeit, den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zu verbessern, steht im Mittelpunkt, um eine nachhaltige Lösung für die immer wiederkehrenden Konflikte zu finden.
Quellen: UN-OCHA, Palästinensisches Zentralbureau für Statistik.
– NAG