Der Polyglott von nebenan: Berühmtheit durch viele Sprachen

„Entschuldigen Sie, woher kommen Sie? Ich wette, ich kann Ihre Sprache erraten.“ Wenn Yuji Beleza durch die Straßen von Wien schlendert, sieht er nicht nur Menschenmengen, sondern auch eine Herausforderung und die Chance, Kontakte zu knüpfen. In spontanen Straßeninterviews überrascht der japanisch-irische Polyglott Passanten mit Grüßen in deren Muttersprache – sei es Türkisch, Suaheli, Kurdisch, Kasachisch oder Zulu.
Ein Sprachgenie im Aufstieg
Mit seinem breiten Lächeln und seinen blitzschnellen sprachlichen Reflexen ist Beleza zu einer Sensation in sozialen Medien geworden und hat über 2,7 Millionen Follower auf Instagram, 3,6 Millionen auf TikTok und weitere 388.000 auf YouTube gewonnen. „Wenn Sie mindestens ein paar Sätze sprechen, ist das ein hervorragender Eisbrecher“, sagt der 27-Jährige. „Besonders wenn ich Phrasen benutze, die die Menschen überraschen – solche, die wirklich in ihrer Sprache oder Kultur eine Rolle spielen. Man kann sofort eine Verbindung herstellen und die Herzen erobern.“
Kindheit und Sprachenliebe
Beleza entdeckte früh in seinem Leben sein Talent für Sprachen und die Macht eines einfachen „Hallo“, dank seiner multikulturellen Erziehung. Er wuchs in Kyoto, Japan, mit einer irischen Mutter auf, die Englisch unterrichtete und vier Sprachen sprach – Englisch, Irisch, Japanisch und Spanisch – sowie einem japanischen Vater, der als Sicherheitsbeamter arbeitete. „Meine Schwester und ich haben früh gelernt, zwischen den Sprachen zu wechseln“, erinnert er sich. „Ich hatte von klein auf eine recht breite Perspektive, da ich immer neugierig war und die Welt erkunden wollte.“
Die Suche nach Identität
Obwohl er in Kyoto öffentliche Schulen besuchte, gut in der Schule war, Basketball spielte und Freunde hatte, fühlte er sich nie ganz akzeptiert als Japaner. „Sie nannten mich immer einen ‚Ausländer‘, weil ich das einzige gemischte Kind in der Schule war“, sagt er. „Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht wusste, wo ich hingehöre.“ Mit 16 verbrachte Beleza ein prägendes Jahr im Ausland in Tipperary, Irland, um sich mit der Kultur seiner Mutter vertraut zu machen. Doch auch hier wurde er nicht vollständig als Ire anerkannt und fand sich schnell in der lokalen Einwanderergemeinschaft wieder.
Sprachen lernen, um zu verbinden
Die Erfahrung in Irland inspirierte Beleza dazu, an der Universität Russisch zu studieren und ein Austauschsemester in St. Petersburg zu verbringen. Während seines Auslandsaufenthaltes tauchte er in weitere Sprachen ein – Deutsch, Türkisch und Serbisch – jede neue Sprache bot ihm ein neues Fenster in eine andere Kultur. Beim Lernen neuer Sprachen kombiniert Beleza verschiedene Strategien, von Videos online anschauen über Notizen machen bis hin zu Übungsgesprächen mit Freunden.
Die Entscheidung für Wien
Besonders interessiert daran, sein Deutsch weiterzuentwickeln, entschied er sich, einen Masterabschluss in Politikwissenschaft in Wien zu verfolgen, wo er die Sprache weiter üben konnte. In einem Stadtteil Wiens, der für seine große Einwandererbevölkerung bekannt ist, hörte er ständig Türkisch, Serbisch, Arabisch und Kurdisch um sich herum und hatte zahlreiche Gelegenheiten, seine sprachlichen Fähigkeiten zu trainieren. Obwohl ihm das Leben in Wien gefiel, fand sich Beleza an einem Scheideweg wieder, als er 2023 seinen Masterabschluss machte.
Die Wende zur Karriere
Um seinen Traum von einer Tätigkeit in internationalen Angelegenheiten zu verwirklichen, bewarb er sich um Jobs bei den Vereinten Nationen oder als japanischer Diplomat. Während er auf Rückmeldungen wartete, kehrte er nach Japan zurück, um Arbeit zu suchen. Doch nach Monaten ohne Perspektiven beschloss er, nach Wien zurückzukehren und eine Chance auf sich selbst zu wagen. Dort begann er, mit Videos in sozialen Medien zu experimentieren. „Ein guter Freund von mir, Suleyman, der aus der Türkei stammt, ermutigte mich, Videos von mir zu posten, in denen ich Türkisch spreche“, erinnert sich Beleza.
Von der Idee zur Bekanntheit
Anfangs konzentrierten sich die Videos auf kulturelle Mischungen zwischen der türkischen und japanischen Kultur. Zusammen mit Suleyman drehte Beleza witzige Comedy-Sketche, in denen er Kebabs bestellte, Ayran herstellte oder über kulturelle Stereotypen scherzte. Als Kommentatoren anfingen, ihn dazu zu ermutigen, mehr Kasachisch zu sprechen, ließ er sich darauf ein. „Viele Leute sagten, ich sähe wie jemand aus Kasachstan aus, aufgrund meiner Gesichtszüge, und einige dachten sogar, ich würde nur vorgeben, Japaner zu sein“, lacht er.
Spontane Gespräche und Sprache als Schlüssel
Mittlerweile hat Beleza sein Videoformat auf schnelle, spontane Interviews in Dutzenden von Sprachen ausgeweitet. Er spricht fließend fünf Sprachen (Japanisch, Englisch, Russisch, Deutsch und Türkisch), kann aber über 10 weitere Sprachen sprechen und begrüsst Menschen in vielen mehr. Im Verlauf seiner Videos erkennt und reagiert er mit bemerkenswerter Schnelligkeit auf verschiedene Sprachen. Heutzutage ist es selten, dass er an seine Grenzen stößt, auch wenn er zugibt, dass die Begegnungen mit anderen Polyglotten bescheiden sein können. „Jedes Gespräch erinnert mich daran, wie viel ich noch lernen muss“, sagt er.
Das Streben nach mehr Sprachen
Beleza hat mittlerweile mindestens einige Phrasen in über 40 Sprachen gelernt, hat aber immer noch mit einigen sprachlichen Herausforderungen zu kämpfen. „Arabisch ist für mich besonders schwierig, insbesondere die Aussprache. Auch die Sprachen Südostasiens wie Vietnamesisch und Thailändisch stellen eine Herausforderung dar. Die Tonstruktur damit kämpfe ich immer noch.“ Trotz seiner Erfolge in den sozialen Medien betrachtet er sich nicht als Naturtalent. „Ich mochte das Sprachenlernen in der Schule nicht wirklich“, gesteht er. „Es war nicht, bis ich nach Irland reiste, dass ich echte Motivation fand.“
Zukunftsperspektiven für Yuji
Während er durch die Straßen von Wien – und manchmal Paris, Astana oder Tirana – mit seinem iPhone und einem Clip-on-Mikrofon unterwegs ist, kristallisiert sich eine klarere Vision für seine Zukunft heraus. Gemeinsam mit seinem aktuellen Kameramann und Manager entwickelt Beleza eine Sprachlernplattform namens „Zero to Fluent“, die darauf abzielt, den Sprachenerwerb unterhaltsamer und zugänglicher zu gestalten. Langfristig träumt er davon, die Welt zu bereisen und Sprachen sowie Kulturen durch Kurzvideos und tiefere Erzählprojekte ins Rampenlicht zu rücken.
„Ich möchte, dass die Menschen sehen, dass Sprache nicht nur Grammatik und Wortschatz ist – es geht um Anerkennung, Empathie und Freude“, sagt er. „Sprache kann uns trennen, aber sie bringt uns auch zusammen. Und wenn ich nur einer Person helfen kann, sich etwas sichtbarer und wertgeschätzter zu fühlen – das ist alles.“
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