Das oberösterreichische Wels, eine Stadt mit etwa 65.000 Einwohnern, wird politisch von einem Bürgermeister der rechtsextremen FPÖ, Andreas Rabl, geleitet. Seit 2015 konnte Rabl eine Mehrheit in der ehemaligen Hochburg der SPÖ erringen und diese Position auch 2021 verteidigen. Seine pragmatische und gemäßigte Herangehensweise hebt ihn als FPÖ-Politiker an die Spitze der größten Stadt hervor, was symbolische Bedeutung erlangt.
Christian Kern, damaliger Vorsitzender der SPÖ und Bundeskanzler, wählte die Messehalle von Wels als Ort für eine programmatische Rede im Kampf gegen die FPÖ. Karl Nehammer, aktueller Kanzler der ÖVP, hat sich ebenfalls für eine Grundsatzrede in Wels entschieden. Seine Botschaft für das Wahljahr 2024 richtete sich hauptsächlich an den FPÖ-Chef Herbert Kickl, wobei er ihn nicht direkt nannte. Die Entscheidung für die Bürger Österreichs soll zwischen Nehammer und Kickl als Bundeskanzler fallen.
Die ÖVP strebt danach, den Wählern die Alternative zwischen Nehammer und Kickl klar zu präsentieren, da die FPÖ seit zwei Jahren stabil in Umfragen führt. Die strategische Ausrichtung von Kickl als „Volkskanzler“ zielt darauf ab, eine unklare, jedoch zugängliche Assoziation mit Nazi-Begrifflichkeiten herzustellen. Dadurch hat Kickl es geschafft, die politische Diskussion, sowohl national als auch international, auf seine Person zu lenken.
Nehammer plant, die Polarisierung, die Kickl erzeugt hat, für sich zu nutzen. Indem er als die Figur erscheint, die einen Kanzler Kickl verhindert, zielt er darauf ab, taktische Wähler anzusprechen. Ähnlich wie Alexander Van der Bellen in Bundespräsidentenwahlen gegen FPÖ-Kandidaten gewann, versucht Nehammer die Mehrheit, die einen FPÖ-Mann als Spitze ablehnt, für sich zu gewinnen.
Um dieses Ziel zu erreichen, fokussiert Nehammer darauf, die traditionelle ÖVP-Klientel wie Bauern, Kleinbürger und Unternehmer anzusprechen und den Abfluss zur FPÖ zu verringern. Sein „Österreichplan“ sieht geregelte legale Zuwanderung, Anpassung an die österreichische Leitkultur, Eigentumsförderung für junge Familien und niedrigere Steuern vor. Durch gezielte Provokationen, wie beispielsweise ein „Genderverbot“, versucht Nehammer Aufmerksamkeit zu erregen.
Die Zukunft des politischen Szenarios in Österreich hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Entwicklung der SPÖ unter ihrem Vorsitzenden Andreas Babler. Nehammer könnte versuchen, eine ÖVP-SPÖ-Koalition zu bilden, wobei er einen Deal mit Kickl nicht ausschließt, jedoch eine Koalition mit einer moderateren FPÖ ablehnt. Es bleibt abzuwarten, ob Nehammer in seinem Bestreben, eine starke Position gegenüber Kickl zu behaupten, erfolgreich sein wird.