In einer markanten Wendung hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban angekündigt, von der Europäischen Union eine finanzielle Kompensation für die vermeintlich erfolgreichen Maßnahmen zur Abwehr von Flüchtlingen zu fordern. Dies geht aus einer kürzlich im Ungarischen Gesetzblatt veröffentlichten Verordnung hervor, die Orban unterzeichnet hat. In dieser Verordnung wird behauptet, dass Ungarn seit dem Jahr 2015 rund zwei Milliarden Euro für den Schutz der EU-Außengrenzen und der Schengen-Zone ausgegeben hat.
Orban hebt hervor, dass die EU diesem Betrag gegenüber Ungarn in der Verantwortung stehe. Die Verordnung ermächtigt die zuständigen Behörden, zu prüfen, ob dieser Betrag gegen die Sanktionen verrechnet werden kann, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juni dieses Jahres gegen Ungarn verhängt hat. Details zur konkreten Umsetzung dieses Vorhabens sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar.
Reaktion auf die Flüchtlingskrise 2015
Im Jahr 2015, als die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreichte, ergriff Ungarn drastische Maßnahmen, um Migranten abzuhalten. Dazu gehörte der Bau von Stacheldrahtzäunen an den Grenzen zu Serbien und Kroatien, was zu einem merklichen Rückgang der irregulären Migration über die Balkanroute führte. Diese Vorgehensweise zeigt das entschlossene Streben Ungarns, die Kontrolle über seine Grenzen zurückzugewinnen und ungarisches Territorium vor dem massiven Zustrom von Flüchtlingen zu schützen.
Jedoch sieht die rechtliche Situation für Ungarn aufgrund der Entscheidungen des EuGH alles andere als positiv aus. Am 13. Juni 2023 entschied das Gericht, dass Ungarn für die Nichteinhaltung von Verpflichtungen im Asylrecht eine Zahlung von 200 Millionen Euro sowie ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro leisten muss. Diese Strafen wurden verhängt, weil Ungarn wiederholt gegen die EU-Verträge verstoßen hat, indem es sich der Anwendung einer gemeinsamen Asylpolitik entzogen hat. Dies wurde als außergewöhnlich schwere Verletzung des EU-Rechts eingestuft.
Bereits im Jahr 2020 hatte der EuGH ein Urteil zu Ungarns Flüchtlingspolitik gefällt. In diesem Fall ging es um die Bedingungen in den nun geschlossenen Transitlagern an der serbischen Grenze. Das Gericht stellte fest, dass Ungarns Regelung, wonach Flüchtlinge ein Vorverfahren in ungarischen Botschaften durchlaufen müssen, bevor sie um Asyl bitten können, nicht mit EU-Recht vereinbar ist, obwohl diese Praxis in Ungarn nach wie vor besteht.
Die aktuellen Forderungen von Orban zeigen nicht nur die Spannungen zwischen Ungarn und der EU, sondern machen auch deutlich, dass die ungarische Regierung den Fokus auf die finanzielle Entschädigung legt. Dies könnte ein neuer Schritt in einem langanhaltenden Konflikt über Asylpolitik und nationale Souveränität in der EU sein. Die Reaktionen auf Orbans Forderungen werden mit Spannung erwartet, insbesondere da die EU unter Druck steht, klare und gerechte Lösungen für die Flüchtlingsfrage zu finden.
– NAG