London steht Kopf! Nach einer katastrophalen Niederlage bei den britischen Parlamentswahlen steht die Konservative Partei vor einem dramatischen Umbruch. Heute um 12.00 Uhr MEZ wird die Entscheidung verkündet, wer die Nachfolge des ehemaligen Premierministers Rishi Sunak antreten und als neuer Oppositionsführer im Parlament fungieren wird. Die Spannung ist greifbar: Kemi Badenoch, die ehemalige Wirtschaftsministerin und Favoritin, oder Robert Jenrick, der frühere Innenstaatssekretär, der aus Protest gegen die als zu lasch empfundene Migrationspolitik zurücktrat. Beide Kandidaten sind dem rechten Flügel der Partei zuzuordnen.
Die politischen Unterschiede sind minimal, doch die Ansichten könnten nicht gegensätzlicher sein. Während Jenrick die Europäische Menschenrechtskonvention aufkündigen möchte, um gerichtliche Einsprüche gegen Abschiebungen zu verhindern, lehnt Badenoch diesen Schritt strikt ab. Politologe Tim Bale von der Queen Mary University von London warnt: „Mit der neuen Führung könnten die Konservativen sich weiter von einer Mitte-Rechts-Kraft zu einer radikalen rechtspopulistischen Partei wandeln.“ Die Tories stehen vor der Herausforderung, sich von der sozialdemokratischen Labour-Regierung unter Keir Starmer abzugrenzen, die in den letzten Wahlen stark abgeschnitten hat.
Rechtskurs als Reaktion auf Populismus
Die Konservativen haben bei der Wahl im Juli viele Stimmen an die Liberaldemokraten und die rechtspopulistische Reform UK verloren. Experten sehen den scharfen Rechtskurs als direkte Reaktion auf den Aufstieg von Nigel Farage, dem Kopf der Reform UK, der mit seinem populistischen Ansatz viele Wähler anzieht. Mark Garnett von der Universität Lancaster warnt: „Eine Annäherung an Reform UK könnte die Unterstützung im Mitte-Rechts-Spektrum gefährden und Farages Anziehungskraft ungewollt verstärken.“ Die Tory-Fraktion besteht nun nur noch aus 121 von 650 Abgeordneten im Unterhaus – ein verheerendes Ergebnis für eine der einst erfolgreichsten demokratischen Parteien Westeuropas.
Ursprünglich traten sechs Kandidaten an, doch nach mehreren Abstimmungsrunden blieben nur Badenoch und Jenrick übrig. Das letzte Wort haben die rund 200.000 Parteimitglieder, deren genaue Anzahl jedoch unbekannt ist. Jenrick berichtete der BBC von einer niedrigen Wahlbeteiligung. Experten sind sich einig: Die neue Führung wird es schwer haben, die Kluft zur Labour-Regierung zu überbrücken, da die Leistung der Starmer-Regierung entscheidend bleibt.