Bei der letzten Ansprache von Bundeskanzler Olaf Scholz klang es nach einer entscheidenden Wende für die deutsche Industrie: Die Vorstellung einer neuen industriepolitischen Agenda sollte in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und der Industrie entwickelt werden. Die Vorfreude war jedoch nur von kurzer Dauer. Ein Sprecher der Regierung erklärte, dass Deutschland ein ganzes Jahrzehnt an Modernisierungen brauche, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
Für den 29. Oktober hat Scholz zu einem Wirtschaftsgipfel ins Kanzleramt eingeladen. Doch erntet er damit mehr Skepsis als Freude. Der Gipfel, der ohne Abstimmung mit den Koalitionspartnern Grünen und FDP stattfindet, scheint viele Akteure aus der Wirtschaft zu enttäuschen. Besonders auffällig ist die überwiegende Abwesenheit wichtiger Vertreter. So umfasst die Einladung lediglich drei große Gewerkschaften und den Industrieverband BDI, während die Stimmen des industriellen Mittelstands sowie weiterer bedeutender Wirtschaftsvertretungen fehlen.
Frustration in der Wirtschaft
Die aufgelisteten Teilnehmer des Gipfels umfassen den Industrieverband BDI sowie die Führungskräfte von Covestro und BASF. Dennoch macht sich auch hier Unmut breit. Die Mitglieder des BDI haben Bedenken, dass sie von Scholz lediglich für ein „Vorwahlkampf“-Event instrumentalisiert werden. Diese besorgniserregenden Signale lehren, das Verständnis für die tatsächlichen Herausforderungen der Wirtschaft zu fördern.
Als besonders alarmierend wird die Ignorierung des gesamten Handwerks gesehen, was laut Handwerkspräsident Jörg Dittrich fatale Folgen haben könnte. Dittrich betont, dass die massiven Standortprobleme nicht nur die Industrie, sondern auch die kleinen und mittleren Unternehmen betreffen. „Mit einem engen Fokus auf die Industrie wird die Politik die Herausforderungen, die zu einem Rückgang des Wachstums führen, nicht adressieren können“, machte Dittrich deutlich.
Ein weiterer kritischer Kommentar kam vom Chef des Mittelstandsverbands Christoph Ahlhaus, der darauf hinwies, dass die Kernkraft des deutschen Wirtschaftssystems, der industrielle Mittelstand, nicht einmal im Plenum vertreten sei. Ahlhaus beschreibt die Situation als „die nächste Blutgrätsche gegen die Leistungsträger in unserem Land“, und äußert Unverständnis darüber, dass kleine und mittlere Unternehmen, die die höchsten Spitzensteuersätze zahlen, vom Kanzler alles andere als Beachtung erfahren.
Und es sind nicht nur die Mittelständler, die auf die Gästeliste schauen oder besser gesagt darauf, was fehlt: Auch die Familienunternehmen blieben außen vor. Marie-Christine Ostermann, Leiterin des Familienverbands, bemerkt, dass es nicht ausreicht, nur mit großen Industrievertretern zu sprechen. Ihrer Meinung nach muss der Kanzler das Land zurück zur sozialen Marktwirtschaft lenken, um den realen Herausforderungen zu begegnen. Ostermann ist der Ansicht, dass der Wirtschaftsminister versucht, die negativen Effekte seiner planwirtschaftlichen Ansätze durch immer neue Subventionen zu kaschieren.
Kritik an der Schaufensterpolitik
Ein weiteres deutliches Zeichen der Unzulänglichkeiten am diesem Gipfel ist die Abwesenheit des Verbandes der Automobilindustrie. Dennoch sind die Chefs von BMW, Mercedes und VW auf der Gästeliste, wobei es Berichte gibt, dass mindestens zwei der Branchenführer abgesagt haben könnten. Die Rahmenbedingungen geben keinen Anlass zu Optimismus.
Kritik an den Absichten der Veranstaltung kommt auch von der CDU-Wirtschaftsexpertin Julia Klöckner, die der Überzeugung ist, dass die Veranstaltung eher Schaufensterpolitik sei und keine echten Lösungen für die anhaltenden Probleme der Wirtschaft bieten kann. Klöckner ist überzeugt, dass eine wirkliche Wende in der Wirtschaft so nicht gelingen kann.
Für hawkische Strategen im Kanzleramt bleibt die Frage offen, welche Erfolge aus diesem Gipfel resultieren. Ein Sprecher sagte, dass je nach Verlauf der Gespräche weitere Treffen denkbar seien, was kaum zur Beruhigung der besorgten Stimmen aus der Wirtschaft beiträgt. Diese Entwicklung schafft in der deutschen Wirtschaft mehr Fragen als Antworten und lässt die Zukunft voller Unsicherheiten.