Nach dem Rücktritt von Kevin Kühnert als Generalsekretär der SPD ergreift Michael Roth, Bundestagsabgeordneter und ebenfalls Mitglied der SPD, das Wort und setzt sich für eine „Kultur der Nachsicht“ in der Politik ein. In einem Gespräch mit „Ippen-Media“ äußerte Roth seine Sorge über den Druck, dem Politiker heutzutage ausgesetzt sind. „Es wird erwartet, dass man überall präsent ist und immer eine Meinung hat“, so Roth. Dieser stetige Druck könne belastend sein und führe dazu, dass politische Auseinandersetzungen immer persönlicher werden.
Kühnert begründete seinen Rücktritt mit der Notwendigkeit, sich auf seine Gesundheit zu konzentrieren. Auch Michael Roth hatte im vergangenen Jahr eine Auszeit genommen, um mit den Folgen eines Burnouts fertigzuwerden. Rückblickend beschreibt Roth seinen Weg als einen schmerzhaften Prozess, der von einem ausgeprägten Arbeitsethos geprägt war. „Es ist schwierig, nicht immer weiter zu machen und die eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen“, betont der Politiker. Er führt dies unter anderem auf den Einfluss der sozialen Medien zurück, wo die Gefahr, Fehler zu machen und persönlich angegriffen zu werden, enorm gestiegen ist.
Der Einfluss der sozialen Medien
Roth kritisiert die heutige Kommunikationskultur, in der Politiker unverhältnismäßig oft angegriffen und beleidigt werden. „Die sozialen Medien verstärken diese Tendenzen enorm. Vor allem Plattformen wie X, seit Elon Musks Übernahme, sind immer toxischer geworden“, erklärt Roth. Die ständige Verfügbarkeit von Informationen erlaube es kaum noch, Beleidigungen ordnungsgemäß zu bearbeiten. Dies habe tiefgreifende Auswirkungen auf die Psychologie derjenigen, die im öffentlichen Leben stehen. “Es gibt in unserem Land und insbesondere in der Politik keine Kultur des Verzeihens und der Nachsicht“, wird Roth deutlich.
Für Roth ist es daher notwendig, dass sich dieser Zustand ändert, damit Menschen wie Kühnert Verständnis für ihre Situation erfahren und sich ihre Gesundheit im politischen Alltag nicht zu kurz kommt.
Parallel zu Roths Äußerungen äußerte sich auch Svenja Schulze, Bundesentwicklungsministerin und ebenfalls Mitglied der SPD. Sie lobte Kühnert als „absolutes politisches Ausnahmetalent“ und bedauerte seinen Rücktritt. „Jetzt muss aber seine Gesundheit im Vordergrund stehen“, betonte Schulze in einem Interview. Trotz der gesundheitlichen Herausforderungen sei sie optimistisch, dass Kühnert in Zukunft zurückkehren kann.
Schulze sprach im Rahmen der Internationalen Nachhaltigkeitskonferenz in Hamburg auch über die Notwendigkeit, mehr private Mittel in die öffentliche Finanzierung einzubinden. „Wir müssen auch privates Engagement in die richtige Richtung lenken“, sagte sie und erregte damit Aufmerksamkeit für die Herausforderungen der öffentlichen Finanzierung in Deutschland.
Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl hat Roth bereits angekündigt, sich nicht um eine erneute Kandidatur zu bemühen. „Ich spüre eine gewisse Entfremdung vom Politikbetrieb“, erklärte Roth und verwies auf die intensiven Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre. Diese Erfahrungen haben in ihm den Wunsch geweckt, neue Wege zu gehen und möglicherweise ein Buch zu schreiben. Eine Rückkehr in die parlamentarische Arbeit sei für ihn nicht mehr vorstellbar, erläuterte er.
Die Stimmen von Roth und Schulze zeigen die aktuelle Realitätswahrnehmung vieler Politiker in Deutschland: die stetig wachsenden Anforderungen an den Einzelnen sowie die stark emotionalisierte Natur der politischen Kommunikation. Diese Themen sind nicht nur aktuell, sondern werfen auch einen Schatten auf die Zukunft des politischen Diskurses in Deutschland und der Welt.
Details zur Meldung