Im Jahr 2023 verzeichnete die Polizei in Nordrhein-Westfalen 209 mutmaßliche Gruppenvergewaltigungen, wobei mehr als die Hälfte der ermittelten Tatverdächtigen keinen deutschen Pass hatte. Auch unter den deutschen Tatverdächtigen deuten viele Vornamen auf einen Migrationshintergrund hin. Während die AfD angesichts dieser Zahlen alarmiert reagiert, relativiert Soziologe Dirk Baier die Bedeutung dieser Statistiken.
Düsseldorf – Die Polizei in Nordrhein-Westfalen registrierte im Jahr 2023 insgesamt 3.383 Fälle von Vergewaltigung, darunter 209 mutmaßliche Gruppenvergewaltigungen. Die Landesregierung führte eine Sonderauswertung auf Anfrage der AfD durch und zählte Fälle, an denen mehrere Verdächtige beteiligt waren. Es wird darauf hingewiesen, dass der Begriff „Gruppenvergewaltigung“ kein feststehender rechtlicher Begriff ist. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl dieser Delikte um 17 Prozent – 2022 wurden 246 solche Fälle gemeldet.
„Erschreckende Entwicklung“
Von den insgesamt 155 ermittelten Tatverdächtigen hatten 84 keinen deutschen Pass. Hierbei stellten Syrer, Kosovaren und Afghanen mit elf, acht und sieben Personen die größten Gruppen. Unter den deutschen Tatverdächtigen könnten etwa ein Drittel (25 Personen) namentlich als türkisch oder arabisch interpretiert werden. Die AfD zeigte sich angesichts dieser Daten besorgt und sprach von einer „erschreckenden Entwicklung“.
Bereits im Januar fragte die AfD im Bundestag nach der Zahl der Gruppenvergewaltigungen und dem Anteil ausländischer Tatverdächtiger. Eine Statistik des Bundeskriminalamtes von 2022 wies damals auf eine Zunahme der Sexualdelikte hin, wobei besonders die Steigerung bei deutschen Tatverdächtigen auffällig war. Allerdings wurden keine spezifischen Angaben zu Tatorten und Opfern gemacht.
„Als Deutsche zu werten“
Der Soziologe Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention in Zürich, äußerte im WDR Zweifel an der Aussagekraft der Vornamen der deutschen Tatverdächtigen. „Wir reden hier nicht über Flüchtlinge“, betonte er und verwies darauf, dass viele der genannten Verdächtigen vermutlich in Deutschland geboren und aufgewachsen seien. „Diese Personen sind eingebürgerte Deutsche, höchstwahrscheinlich in Deutschland geboren und sozialisiert. Daher sind sie eigentlich auch als Deutsche zu werten“, so Baier.
Die Interpretation der AfD bezüglich des Migrationshintergrunds hält Baier für fragwürdig. Die Diskussion sollte sich statt auf Nationalität oder Vornamen vielmehr auf die eigentlichen Ursachen von Kriminalität konzentrieren. Er betonte, dass Werte und Männlichkeitsnormen hinterfragt werden sollten, die zu kriminellem Verhalten führen könnten. „Wenn wir das angehen, können wir in den Köpfen etwas verändern“, argumentierte Baier und kritisierte die Debatte über Nationalitäten oder Vornamen als wenig zielführend.
Kritik an Baiers Analyse
In den sozialen Medien erntete Baier Kritik für seine Aussagen. Unter einem kurzen Ausschnitt aus der WDR-Sendung „Aktuelle Stunde“, der auch auf der Plattform X geteilt wurde, kommentierte eine Nutzerin: „So einfach ist das nicht. Sie werden eben auch in ihren Familien sozialisiert. Und wenn bestimmte Leute überproportional vertreten sind, gibt es ein Problem, über das man reden muss.“ Andere warfen dem Soziologen vor, seine Analyse sei oberflächlich: „Wenn ein Experte für die Stromversorgung so unfähig wäre, säßen wir alle im Dunkeln“, kommentierte ein Nutzer spöttisch.
Baier war in den letzten Wochen wegen weiterer Äußerungen in den Schlagzeilen. So sorgten seine Kommentare zu Messergewalt in Deutschland für Aufsehen. Auf die Frage, warum die Messergewalt zunehme, antwortete er, dass es noch keine klare Erklärung gebe, möglicherweise aber die steigenden Lebenshaltungskosten eine Rolle spielten.
Nach der tödlichen Messerattacke in Solingen erklärte Baier, dass das einigende Merkmal vieler Täter das Geschlecht sei: „Es sind in erster Linie junge Männer, die Messer nutzen, um ihre Männlichkeit zu unterstreichen und damit geplante Straftaten begehen. Es ist mehr das Geschlecht als die Staatsangehörigkeit, über das wir uns Gedanken machen müssen.“ Diese Aussage führte ebenfalls zu hitzigen Diskussionen in den sozialen Medien.
– NAG