In Deutschland brodelt es unter jungen Menschen. Frustration über ihre Lebensumstände und das Gefühl, gegenüber den früheren Generationen benachteiligt zu sein, nehmen zu. Insbesondere im ländlichen Raum zeigt sich dies deutlich. Wenig Polizeipräsenz, schlecht ausgestattete Feuerwehren und der Niedergang traditioneller Ortskerne führen zu einer allgemeinen Unzufriedenheit. Diese Sorgen werden auch von Stimmen wie dem Politikwissenschaftler Simon Schnetzer geteilt, der Bezug auf eine beunruhigende Statistik nimmt und anmerkt: „Wenn man sich die Zahlen anschaut, wäre das Grund genug für eine Revolution.“
Die Politikwissenschaftlerin Nina Kolleck, die an der Universität Potsdam lehrt, unterstreicht, dass immer mehr Kinder von finanziellen Engpässen betroffen sind. Der Anstieg der Inflationsrate, insbesondere Preissteigerungen von über 30 Prozent bei Lebensmitteln, verstärkt die Ängste der Jugendlichen. Laut Kolleck können diese Umstände sogar ganz andere Sorgen mit sich bringen als in wohlhabenderen Familien. „Die AfD wird vor allem von jungen Menschen gewählt, die eher ärmlich aufwachsen,“ so Kolleck. Im Gegensatz dazu scheinen gutbürgerliche Kinder eher den Grünen zuzuneigen.
Ängste und politische Polarisierung
Die zunehmende politische Polarisierung und die Wahlentscheidungen junger Wähler:innen lassen Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Lage zu. Die AfD sorgt gerade bei benachteiligten Jugendlichen für Anklang, was einen deutlichen Bruch in der politischen Landschaft erkennen lässt. Die Grünen hingegen werden häufig von Wohlhabenden gewählt und spiegeln damit ganz unterschiedliche Lebensrealitäten wider. Schnetzer betont, dass trotz der Spaltung in der Gesellschaft der Frust und die Wut über aktuelle Lebensumstände zu einem Ventil suchen.
Parallel dazu wuchs der Einfluss der „Fridays for Future“-Bewegung, die Millionen junger Menschen mobilisierte und für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit eintritt. Der Schock der Corona-Pandemie hat jedoch den Rückhalt dieser Bewegungen geschwächt. Hinter diesen Entwicklungen steht auch die belastende geopolitische Situation, besonders die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, die ebenfalls zur Unsicherheit beitragen.
Die Erinnerung an die Friedliche Revolution
Das Bild einer neuen Revolution erweckt Erinnerungen an die Friedliche Revolution von 1989 in der DDR. Damals gingen Hunderttausende auf die Straßen, um für ihre Rechte zu kämpfen, darunter viele junge Menschen. Luise Anter, eine 28-Jährige aus Dresden, sieht allerdings kaum Parallelen zwischen ihrer Generation und den Kämpfen ihrer Eltern, die für Wandel und Freiheit kämpften. „Es wäre anmaßend, die Notwendigkeit einer neuen friedlichen Revolution auch nur andeuten zu wollen,“ erklärt sie.
Trotz der Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen politischen Führung gibt es für Anter keinen Bedarf, das gesamte System in Frage zu stellen. „Ich bin sehr froh, in einer parlamentarischen Demokratie mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung leben zu dürfen,“ fügt sie hinzu. Für sie sind Veränderungen im System nötig, allerdings sollten diese eher auf den politischen Diskurs fokussiert sein und weniger die Grundfesten der Demokratie in Frage stellen.
Zusammengefasst zeigt sich ein zwiespältiges Bild: Während viele junge Menschen mit Ängsten und Unsicherheiten konfrontiert sind, gibt es gleichzeitig einen starken Wunsch, die bestehenden Systeme und Strukturen zu reformieren, ohne jedoch an den Grundpfeilern der Demokratie zu rütteln. Ob diese Tendenzen zu einem nationalen Umbruch führen werden, bleibt abzuwarten. Mehr Details zu diesem Thema finden sich in einem ausführlichen Bericht auf www.mdr.de.