Der Konflikt innerhalb der Berliner Linkspartei ist auch nach dem verheerenden Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 nicht gelöst. Bereits beim vergangenen Parteitag gab es einen Eklat bezüglich des Umgangs mit Antisemitismus, der die politische Debatte auf ein neues Level heben könnte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das heikle Thema ausgelagert und mit knapper Mehrheit nur vertagt – ein Umstand, der bei einem früheren Parteitag im April kaum Rückhalt fand. Hier stand besonders der Realo-Flügel um die Ex-Senatoren Klaus Lederer und Elke Breitenbach in der Kritik.
Der Realo-Flügel brachte einen Antrag ein, der den linken Antisemitismus anprangern sollte. Diese Änderung wurde jedoch nicht ohne Widerstand verabschiedet. Die Stimmen des Landesvorstandes und der Bezirksgruppen aus Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Lichtenberg, die als Teil der als sektenhaft angesehenen Neuköllner Gruppierung gelten, führten zu einem Rückzug des Realoflügels. Viele Mitglieder verließen daraufhin den Parteitag.
Der Streit um Antisemitismus
Der Antrag des Realo-Flügels forderte unter anderem, dass die Linkspartei die Rolle des „eliminatorischen Antisemitismus“, der die Aktionen von Hamas, Hisbollah und dem iranischen Regime befeuert, nicht ignorieren dürfe. Diese Passage wurde jedoch gestrichen. Es bleibt dennoch ein starkes Statement aus den Reihen des Realoflügels, dass Antisemitismus mehr Konsequenzen nach sich ziehen müsse. Eine Erklärung zu Auschwitz sollte hingegen bestehen bleiben.
Kritiker des aktuellen Kurses innerhalb der Partei kommen besonders aus den Bezirken Wedding, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg, die den Antisemitismus als ernstzunehmendes Problem betrachten und nachdrücklich äußern, dass der Umgang der Führung mit diesem Thema nicht ausreiche.
Im Fokus steht jedoch der Bezirksverband Neukölln, der seit Jahren in der Kritik steht. Einmal abgesehen vom misserablen Umgang mit Antisemitismus in der Vergangenheit, hielt die Linksfraktion während einer pro-palästinensischen Demonstration im Jahr 2021 es nicht für nötig, sich von antisemitischen Tendenzen klar zu distanzieren.
Die Reaktion auf den Parteitag
Nach dem Eklat beim Parteitag agierten die sogenannten „Realos“ entschlossen. Ihre Forderung, dass Antisemitismus auch im Kontext der pro-palästinensischen Bewegung thematisiert werden müsse, machte deutlich, dass die Kluft zwischen den Flügeln der Partei immer breiter wird. Mehrere Mitglieder wiesen im Vorfeld darauf hin, dass es unverantwortlich sei, die komplexe Thematik einfach beiseite zu schieben.
Die Integrationsbeauftragte des Bezirks, Güner Balci, warf der Linken vor, dass einige ihrer Mitglieder „schlimmste Antisemiten“ seien. Insbesondere die Verbindung von Akteuren der Partei mit radikalen und islamistischen Gruppen wurde von Balci als besorgniserregend dargestellt.
Einer der umstrittensten Abgeordneten ist Ahmed Abed, der bei pro-palästinensischen Demonstrationen auftritt und für die BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) arbeitet. Abed setzt sich rechtlich gegen einen Beschluss des Bundestages zur Wehr, der die BDS-Bewegung als antisemitisch eingestuft hatte, was auf großen Widerstand innerhalb der Partei stößt.
Ein weiteres prominentes Mitglied, Ferat Koçak, spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in diesem Zusammenhang. Der Abgeordnete meldete erst kürzlich ein pro-palästinensisches Konzert an, das durch kommunistische Splittergruppen organisiert wurde. Die Kritik an seinen Äußerungen zu Israel und Palästina sorgt in der Partei für Unmut.
Zusätzlich ist Ramsis Kilani, ein weiterer einflussreicher Akteur in Neukölln, bekannt dafür, die radikalisierte Pro-Palästina-Szene zu repräsentieren. Kilani äußerte in Chats, dass er bereit sei, für den „antikolonialen Befreiungskampf“ zu kämpfen, was die Spannungen innerhalb der Partei weiter anheizt.
Die dann ausbrechende Diskussion und die Kontroversen rund um den Parteitag verdeutlichte, wie tief die Kluft innerhalb der Partei geworden ist. Während einige Kreise eine klare Haltung gegen Antisemitismus fordern, bestehen andere darauf, ihre politische Agenda nicht unangetastet zu lassen.
Die Ereignisse der letzten Wochen verdeutlichen, dass die Linke in Berlin vor einer echten Zerreißprobe steht. Nach dem Streit um die Auffassung von Antisemitismus wird klar, dass die unterschiedlichen Strömungen der Partei mit ihren zumeist gegensätzlichen Sichtweisen und Positionen nicht ohne weitere Auseinandersetzungen koexistieren können.