Die diesjährige Frankfurter Buchmesse sorgt für reichlich Aufregung, vor allem durch die kontroversen Reaktionen auf den offiziellen italienischen Ehrengast-Auftritt. Trotz der Kritik an dem Programm, das regierungskritische Stimmen ausschloss, sind italienische Autoren angereist, um ihren eigenen Standpunkt zu vertreten. Ein offener Brief im Vorfeld der Messe hatte bereits Forderungen aufgeworfen, die an die Buchmesse-Leitung gerichtet waren. Dabei wurde die Zurückhaltung des Gastlandes gegenüber abweichenden Meinungen scharf kritisiert.
Am ersten Messetag thematisierten Autoren wie Antonio Scurati und Paolo Giordano diese Debatte auf einer Veranstaltung, die nicht Teil des offiziellen Programms ist. Hier wurde klar, dass die politische Stimmung in Italien, die unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angespannt ist, sich auch auf die literarische Szene auswirkt. Man sprach von einem merklichen Ausschluss kritischer Stimmen.
Vorwurf: Kritische Stimmen werden nicht gehört
Antonio Scurati betonte, dass der Ehrengast-Auftritt zeige, wie wenig Gehör literarische Stimmen finden, die von den politischen Zielen der Regierung abweichen. Er und seine Kollegen gehören nicht zur offiziellen Delegation des Buchmesse-Sonderbeauftragten.
Anhand von Scuratis eigener Erfahrung wird die Zensur noch greifbarer. Er berichtete, dass seine für den italienischen Nationalfeiertag geplante Rede abgesagt wurde, nachdem er diese bereits bei Journalisten eingereicht hatte. Ein klarer Hinweis auf den Druck, dem kritische Künstler in Italien ausgesetzt sind.
Giorgia Meloni selbst reagierte auf diesen Vorfall in den sozialen Medien, indem sie behauptete, Scurati hätte zu hohe Honorare verlangt, was dieser als persönliche Angriffe und Diffamierungen verstand. "Das passiert Menschen, die kritisch sind gegen die Macht", so Scurati.
Giordano initiierte Protest-Brief
Paolo Giordano, ein ebenfalls prominenter Autor, hatte einen offenen Brief an die Buchmesse-Initiatoren initiiert, um auf den Ausschluss kritischer Stimmen aufmerksam zu machen. 41 Autoren unterschrieben diesen Brief, in dem sie die Offizielle Programmgestaltung verurteilten und forderten, dass auch regierungskritische Stimmen Gehör finden. Giordano, bekannt durch seinen Bestseller "Die Einsamkeit der Primzahlen", denkt, dass dieser Ausschluss gleich mehrere Autoren dazu bewegte, sich von der offiziellen Delegation zurückzuziehen.
Als besonders brisant gilt, dass der Ausschluss des angesehenen Autors Roberto Saviano, der durch seine Kritik an der Regierung bekannt ist, als Katalysator für viele Autoren fungierte. Giordano beschrieb dies als einen Einsatz für die Freiheit des Ausdrucks, welcher bedeutsam für die italienische Literatur sei.
Ausschluss Savianos wirkte wie "ein Katalysator"
Savianos Abwesenheit zur Buchmesse ist nicht nur ein Einzelfall. Es symbolisiert größere Probleme in der italienischen Kultur unter der aktuellen Regierung. Nach dem Versäumnis ihn einzuladen, bekamen viele andere Künstler die Motivation, sich aktiv für ein Gegenprogramm einzusetzen. "Wir sind praktisch wie Abtrünnige auf der Buchmesse", sagte Giordano, als er von den Anstrengungen sprach, die diese Künstler unternommen haben, um die Missstände in der italienischen Literaturszene offen zu thematisieren.
Ein gemeinsames Ziel der Autoren sei es, über die Themen zu sprechen, die nicht genug Beachtung im offiziellen Programm finden. Zusammenarbeit mit der Schriftstellervereinigung PEN Berlin ist ein zentraler Punkt dieser Bemühungen. Gemeinsam werden Veranstaltungen organisiert, die aktuelle Fragen der Meinungs- und Kunstfreiheit erörtern.
Italienische Autoren bemühten sich um "Gegenprogramm"
Die italienischen Autoren haben sich bemüht, ein Gegengewicht zum offiziellen Programm aufzustellen. Dies beinhaltet zahlreiche Veranstaltungen, die sich mit den drängenden Themen der Kunst- und Meinungsfreiheit in Italien beschäftigen. "Für Themen, die italienischen Autor und Autorinnen unter den Nägeln brennen", wie Eva Menasse von PEN Berlin es formulierte, wurden Podiumsdiskussionen ins Leben gerufen.
In diesen Veranstaltungen wird eine Plattform geschaffen, auf der kritischere Stimmen aus Italien gehört werden sollen. Die Debatten bieten die Möglichkeit, die literarische und kulturelle Lage in Italien authentisch zu reflektieren.
Ehrengast-Pavillon erinnert an "Beerdigungsinstitut"
Besonders heftig wird die offizielle Präsentation Italiens kritisiert. Antonio Scurati bezeichnete den Ehrengast-Pavillon als unangemessen und vergleicht ihn mit einem Beerdigungsinstitut. Er stellte die Frage, ob das Motto "Verwurzelt in der Zukunft" nicht an historisches Unrecht anknüpfe, und es an der Zeit sei, dieses zu hinterfragen.
Der italienische Kulturminister Alessandro Giuli, der an dem Eröffnungsabend sprach, erlebt ebenfalls viel Kritik. Scurati fragt, ob Giuli jemals seine Vergangenheit in einer neofaschistischen Gruppe thematisiert habe, und appelliert an eine tiefere Reflexion über die kulturelle Verantwortung in seiner Rede.
Die Buchmesse bietet somit nicht nur einen Rahmen für literarische Werke, sondern wird zur Bühne für eine lebhafte Debatte über Kunstfreiheit, die politische Verantwortung von Kultur und die Notwendigkeit, auch unbequeme Fragen zu stellen. Dies bleibt bis zum Ende der Messe ein zentrales Thema, das Künstler und Gäste beschäftigt.
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