Der ORF darf nicht zerstört werden
Der Redaktionsausschuss des ORF hat in seiner Frühjahrstagung einstimmig beschlossen, dass das neue ORF-Gesetz die politische Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Senders sicherstellen muss. Öffentlich-rechtliche Sender gelten als wichtige Infrastruktur der Demokratie, da sie allen Bürgern einen niederschwelligen Zugang zu umfassenden und seriösen Informationsangeboten ermöglichen und eine ausgewogene Berichterstattung garantieren. Dies ist besonders in Zeiten von politischer Desinformation und dem Versuch, den demokratischen Diskurs zu beeinflussen, von großer Bedeutung.
In einigen Ländern werden öffentlich-rechtliche Sender von populistischen Parteien massiv bekämpft. Die slowakische Regierung versucht beispielsweise durch die Auflösung und Neugründung den staatlichen Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Sender RTVS zu stärken. Die SRG in der Schweiz wird durch eine Volksabstimmung unter Druck gesetzt, die Gebühr für den Sender zu halbieren. In Großbritannien steht die BBC unter politischem Druck, ebenso wie die RAI in Italien. Auch in Malta, Griechenland und Ungarn sind die öffentlich-rechtlichen Sender bereits angegriffen oder ruiniert.
Auch in Österreich gibt es politische Kräfte, die den ORF in seiner jetzigen Form zerstören und nur einen sogenannten „Grundfunk“ übriglassen wollen. Partei-interne Chats, die jetzt bekannt geworden sind, zeigen deutlich, dass führende Politiker der damaligen Regierung darüber sprechen, wie sie ihr „loyales“ Personal im ORF unterbringen und den Sender auf Linie bringen wollen. Das ungarische Mediensystem unter Viktor Orban wird sogar als Vorbild genannt.
Als Redaktionsvertretung halten wir fest, dass der ORF das Leitmedium in Österreich und einer der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Sender Europas ist. Der ORF genießt das höchste Vertrauen der Bevölkerung und erreicht täglich 85 % der Menschen in Österreich. Der Sender bietet ein umfassendes Programm im Radio, TV, Online und Streaming zu einem vergleichsweise günstigen Preis. Der Rundfunkbeitrag für 3,2 Millionen Haushalte ist niedriger als die GIS, und rund 280.000 Haushalte mit geringem Einkommen sind gänzlich befreit, haben aber dennoch Zugang zu allen ORF-Angeboten.
Der ORF hat einen öffentlichen Auftrag und wird deshalb öffentlich finanziert und kontrolliert, unter anderem durch das Parlament, den Rechnungshof und die Medienbehörde. Die Zerstörung des ORF hätte für Österreich gravierende Auswirkungen. Daher appellieren wir an alle Verantwortungsträger und die Zivilgesellschaft, sich für den Erhalt des ORF einzusetzen. Die Bundesregierung wird gebeten, die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Reparatur des ORF-Gesetzes umzusetzen und eine echte Entpolitisierung der Gremien sicherzustellen.
Tabelle mit Informationen:
| Fakt | Information |
|—|—|
| Vertrauen der Bevölkerung | Der ORF hat von allen heimischen Medien die höchsten Vertrauenswerte. Drei Viertel der Bevölkerung sagen, der ORF ist wichtig oder sehr wichtig. |
| Reichweite | 85 % der Bevölkerung haben täglich Kontakt mit einem ORF-Programmangebot, im Laufe eines Monats sind es 95 %. |
| Kosten | Für 50 Cent pro Tag bietet der ORF ein umfassendes Angebot im Radio, TV, Online und Streaming mit Information, Sport, Kultur und Unterhaltung. |
| Rundfunkbeitrag | Für 3,2 Millionen Haushalte ist der Rundfunkbeitrag um rund ein Drittel niedriger als die GIS. |
| Zugänglichkeit für Geringverdiener | Rund 280.000 Haushalte mit geringem Einkommen sind vom Rundfunkbeitrag gänzlich befreit und haben trotzdem einen vollständigen Zugang zu allen ORF-Angeboten und damit die Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft. |
| Auswirkungen des ORF | Rund 100 Millionen Euro gehen direkt in die heimische Filmwirtschaft und sichern dort hunderte Arbeitsplätze. Rund 120 Millionen Euro fließen in die heimische Kulturszene und weitere 120 Millionen Euro in den Sport. |
| Barrierefreier Zugang | Auf ORF 1 und ORF 2 sind rund 90 % des Programms untertitelt, um gehörlosen und schwerhörigen Menschen einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Mit „Nachrichten in einfacher Sprache“ in TV, Radio und Online ist der ORF europaweiter Vorreiter. |
| Programmvielfalt | Ö1 ist das erfolgreichste Kulturradio in Europa, mit ORF III wurde einer der erfolgreichsten Info- und Kultur-Sender etabliert. Der ORF bietet Programm für alle anerkannten Volksgruppen in sechs Sprachen. |
| Qualitätssicherung | ORF-Gesetz, Programmrichtlinien, Verhaltenskodex und ein Redaktionsstatut garantieren eine umfassende und gesetzlich festgelegte Qualitätssicherung. |
Quelle: ORF-Redakteursrat / ots