Die Lage der deutschen Industrie ist angespannt. Ein denkwürdiger Appell des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) verdeutlicht die aktuelle Situation: Der Standort Deutschland sieht sich einem massiven Druck ausgesetzt. Eine aktuelle Studie zeigt, dass etwa ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung gefährdet sein könnte. Um international weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Investitionen in Höhe von 1,4 Billionen Euro bis 2030 erforderlich.
BDI-Präsident Siegfried Russwurm hat am 10. September in Berlin ein alarmierendes Bild gezeichnet: Deutschland sei im globalen Vergleich stark zurückgefallen und stehe vor einem fundamentalen Standortproblem. Das Risiko einer De-Industrialisierung, besonders durch die Abwanderung und Schließung vieler Mittelständler, sei erheblich gestiegen. Diesem besorgniserregenden Aufruf folgte umgehend eine Reaktion von Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Habeck schlägt Alarm
In seiner Antwort erläuterte Habeck, dass die Berichte zur Wettbewerbsfähigkeit der EU und der BDI-Studie zeigen, dass die Dringlichkeit des Handelns nicht ignoriert werden kann. „Wir müssen den Schalter umlegen“, betonte er. Es sei unerlässlich, die deutsche Wirtschaft zu modernisieren und damit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands langfristig zu sichern. Seine Position steht im Einklang mit dem BDI: Deutschland als Industrieland müsse erhalten bleiben, von der Grundstoff- bis hin zur Hightech-Industrie.
Die umfassende Analyse, durchgeführt von der Boston Consulting Group und dem Institut der deutschen Wirtschaft, hebt sowohl Schwächen als auch Chancen der deutschen Industrie hervor. Die alarmierenden Ergebnisse sind mit denen eines Berichts des ehemaligen italienischen Premierministers Mario Draghi über die EU-Lage vergleichbar, der auch auf eine notwendige Innovationssteigerung hinwies.
Russwurm nennt verschiedene Herausforderungen, die Deutschland im internationalen Wettbewerb schwächen: hohe Energiepreise, eine unzureichende Verkehrsinfrastruktur, ein nicht wettbewerbsfähiges Steuersystem sowie politische Unsicherheiten sind einige der Kernprobleme. Auch die steigenden Arbeitskosten und der tiefgreifende Fachkräftemangel tragen zur besorgniserregenden Situation bei.
Ein Notwendiger Umbruch
Russwurm appelliert an die Bundesregierung, die Initiative zu ergreifen und einen umfassenden Reformplan aufzustellen. „Deutschland muss sich als Industrienation neu erfinden“, fordert er. Die Transformation des industriellen Sektors wird als eine der größten Herausforderungen seit der Nachkriegszeit beschrieben. Ein Beispiel für die digitalen Defizite Deutschlands ist die Glasfaserabdeckung, die nur 39 Prozent der Unternehmen erreicht – ein deutlicher Rückstand im Vergleich zu Ländern wie Spanien oder Frankreich.
Die Bundesregierung hat unterdessen eine wachstumsfördernde Initiative ins Leben gerufen. Diese umfasst Maßnahmen, wie die Verbesserung von Investitionsabschreibungen, Bürokratieabbau und Anreize für längere Arbeitszeiten. Dennoch genügt dies laut BDI nicht, um die Branche aus der Krise zu führen. Der Verband fordert grundlegende Reformen in den Bereichen Steuern und Energie, da die energieintensive Industrie gezielte finanzielle Unterstützung benötigt, ebenso wie besseren Zugang zu CO₂-armen Energieträgern.
Habeck versichert, dass die geplanten Maßnahmen Wirkung zeigen werden, sieht jedoch die Notwendigkeit für zusätzliche Schritte: „Es braucht den Willen, die Fähigkeiten und die Ressourcen, um die deutsche und europäische Wirtschaft global wettbewerbsfähig zu machen und den Umbau hin zur Klimaneutralität zu meistern.“ Dabei handele es sich um eine Aufgabe für mehrere Generationen.
„Ein Vorschlag des BDI zur Schaffung klar definierter Sondervermögen könnte dabei hilfreich sein. Dazu müssen alle demokratischen Parteien bereit sein, einen neuen wirtschafts- und finanzpolitischen Konsens zu schaffen“, so Habeck mit Blick auf die aktuellen Haushaltsdiskussionen insbesondere mit der FDP, die bezüglich der Schuldenbremse ohne Sondervermögen bestehen bleibt. Deutschland benötigt einen kräftigen Modernisierungsschub, um in der internationalen Wettbewerbslandschaft bestehen zu können.
Für weiterführende Informationen zu dieser Thematik empfiehlt sich ein Blick auf die detaillierte Analyse und die Forderungen des BDI, die dazu beitragen könnten, die drängenden Probleme anzugehen und Lösungen zu finden, um die deutsche Industrie wieder auf Kurs zu bringen.