In Gießen feierte das Institut für Rechtsmedizin der Justus-Liebig-Universität ein bemerkenswertes Jubiläum: 60 Jahre engagierte Forschung und Dienst am Recht. An diesem besonderen Tag versammelten sich hochkarätige Gäste aus Politik und Wissenschaft, um die Erfolge und Entwicklungen des Instituts zu würdigen. Unter den Anwesenden war auch die Hessische Sozialministerin Heike Hofmann (SPD), die die Arbeit der Institution lobte und die Bedeutung der Rechtsmedizin für die Gesellschaft betonte.
Reinhard Dettmeyer, der langjährige Institutsleiter, betonte in seiner Ansprache, dass die Geschichte der Rechtsmedizin in Gießen weit über die Gründung des Instituts hinausreiche und schon mit der Arbeit von Justus Liebig begann. Diese Vielfalt der Disziplin verdeutlichte er mit einem Hinweis auf die breite Palette der Aufgaben, die die Rechtsmediziner übernehmen, von der Tatortbesichtigung bis zur Identitätsfeststellung.
Die Rolle der Rechtsmedizin im Rechtssystem
Dettmeyer sprach darüber, dass die Rechtsmedizin nicht nur auf Mord und Totschlag reduziert werden dürfe. „Das ärgert mich ein bisschen“, meinte er und beschrieb die wichtige Rolle, die Rechtsmediziner beim Aufklären von Vergiftungen und anderen Straftaten spielen. Er hob hervor, dass das Institut für die Landgerichtsbezirke Limburg, Gießen, Marburg, Fulda und Kassel zuständig ist, was einem großen Teil der hessischen Fläche entspricht.
Der Hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) schloss sich dieser Meinung an und erklärte, dass die Arbeit der Gießener Mediziner unverzichtbar für den Rechtsstaat sei. Auch der Gießener Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger lobte den unermüdlichen Einsatz der Rechtsmediziner und berichtete von der engen Zusammenarbeit mit Dettmeyer. Ihr gemeinsames Engagement zeigte sich in vielen Fällen, in denen sie oft „schweres Gerät“ benötigten, um schwierige Ermittlungen durchzuführen. Hauburger erinnerte an einen speziellen Fall, der einen erheblichen Logistikaufwand erforderte, als sie in einem Tomatenbeet nach einer vermissten Person suchten.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Rechtsmedizin stellte sich als ein zentrales Element der erfolgreichen Aufklärung von Verbrechen heraus. In diesem Kontext wurde auch angesprochen, dass Dettmeyer nach 17 Jahren die Leitung des Instituts an Professor Sven Hartwig übergibt, was als großer Verrat in der Tradition des Instituts angesehen wird. Karsten Krüger, Vizepräsident der Universität, bezeichnete diesen Wechsel als „bedeutsamen Wechsel an der Spitze“.
Kritik an der Obduktionsrate und Forschung
Dettmeyer nutzte sein Festvortrag, um einige historische Begebenheiten aus seiner Karriere zu teilen, darunter kuriose Anekdoten, die das Publikum zum Lachen brachten. Eine besonders denkwürdige Geschichte drehte sich um einen Fall, in dem eine Frau fälschlicherweise für tot erklärt wurde, nachdem sie unterkühlt und wegen Tablettenintoxikation behandelt wurde. Der polizeiliche Aktenvermerk, der andeutete, dass sie „wieder“ zum Leben erweckt wurde, sorgte für Heiterkeit im Saal.
Er hielt allerdings auch einen kritischen Vortrag über die aktuelle Situation in der Obduktionsmedizin in Deutschland. Dettmeyer forderte ein Obduktionsgesetz, um die „beschämend niedrige Obduktionsquote“ zu verbessern. In seinem Festvortrag wies er auf die Notwendigkeit hin, die Ursachen für den plötzlichen Kindstod besser zu verstehen. Aktuelle Studien belegen, dass in Deutschland weniger als 100 Fälle pro Jahr registriert werden, wobei Gießener Wissenschaftler herausfanden, dass virusbedingte Herzmuskelentzündungen bis zu 25 Prozent aller Fälle verursachen könnten.
Diese feierliche Veranstaltung in Gießen war nicht nur ein Rückblick auf sechs Jahrzehnte erfolgreicher Rechtsmedizin, sondern auch ein Aufruf zur Weiterentwicklung und Unterstützung der Fachrichtung in Deutschland. Jeder Redner stellte klar, wie wichtig die Arbeit des Instituts für die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Klärung von Straftaten ist. Mehr Informationen zu diesem Thema sind in einem Bericht auf www.giessener-allgemeine.de zu finden.