
Am 27. März 2025 startete die Initiative „Pass Egal Wahl“ des Vereins SOS Mitmensch in Wien, die sich an Menschen ohne österreichischen Pass richtet. Dieses Projekt wird von verschiedenen Kooperationspartner:innen unterstützt und bietet mehr als 40 Wahllokale in der Stadt an. Der Wahlzeitraum erstreckt sich bis zum 23. April, worin sich eine praktische Möglichkeit für viele Menschen zeigt, die sonst von politischen Prozessen ausgeschlossen sind.
Insbesondere in Wiener Schulen sind 30 „Pass Egal Wahlen“ geplant, was die Bedeutung der politischen Teilhabe unterstreicht. Kritisch bemerkt die AK-Präsidentin Renate Anderl, dass über ein Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung in Wien in der Stimmabgabe ausgeschlossen ist. Dies ist besonders alarmierend, da unter den Arbeiter:innen etwa zwei Drittel kein Wahlrecht besitzen.
Kritik am Ausschluss und Defizite in der Demokratie
Ein Blick auf die Statistiken offenbart, dass 81,4 % des Reinigungspersonals und 78,2 % der Hilfskräfte in der Nahrungsmittelzubereitung ebenfalls nicht wählen dürfen. Darüber hinaus haben über 51 % der Angestellten im Bereich personenbezogener Dienstleistungen in Wien kein Stimmrecht. Diese Lebensrealitäten verdeutlichen ein erhebliches Legitimations-, Repräsentations- und Demokratiedefizit in der Stadt.
Demokratieforscher Gerd Valchars beschreibt die Demokratie in Wien als „in Schieflage“, ein Umstand, den auch die Schauspielerin Safira Robens anprangert. Sie kritisiert den Ausschluss der Menschen mit Wohnsitz in Wien von der Wahl, was der Forderung von SOS Mitmensch nach einem verbesserten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft und einem Ende der Koppelung des Wahlrechts an die Staatsbürgerschaft Gewicht verleiht.
Ein internationaler Vergleich
Im internationalen Kontext ist festzustellen, dass es seit 50 Jahren weltweit etwa 30 Länder gibt, die ausländischen Einwohnern ein Wahlrecht gewähren. Diese Regelungen sind vor allem in Europa und Lateinamerika zu finden. In Deutschland haben nur EU-Bürger das Recht, an Kommunalwahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen, während ausländische Staatsangehörige aus Drittstaaten ausgeschlossen sind. Diese Regelung steht im Kontrast zu den erkennen, dass etwa 8,2 % der Bevölkerung in Deutschland Drittstaatsangehörige ohne Wahlrecht sind.
Die Debatten über das Ausländerwahlrecht in Deutschland sind seit Ende der 1970er Jahre aktiv, wobei verschiedene parlamentarische Initiativen gescheitert sind. In den späten 1980er Jahren wurden mehrere Versuche unternommen, um das Wahlrecht auf ausländische Staatsangehörige auszuweiten – insgesamt blieben die Initiativen jedoch ohne Erfolg. Eine der zentralen Fragen bleibt, ob das Grundgesetz, das den Begriff „Volk“ verwendet, nur auf deutsche Staatsangehörige oder auf alle in Deutschland lebenden Menschen angewendet werden sollte.
Die Herausforderungen variieren je nach Bundesland, wobei beispielsweise Schleswig-Holstein 1990 mit einer kommunalen Ausländerwahlrecht Regelung den rechtlichen Rahmen festlegte, der jedoch weiterhin umstritten bleibt. In Bremen gab es sogar im Jahr 2014 Versuche, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu überprüfen, um ausländischen Einwohnern mehr politische Teilhabe zu ermöglichen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einführung von Wahlrechten für Menschen ohne österreichischen Pass in Wien nicht isoliert betrachtet werden kann. Sie spiegelt einen größeren Trend wider, der verharrt, den Diskurs über Migration und Integration zu erweitern und politischen Einfluss sowie Mitbestimmung für alle Bewohner:innen einer Stadt zu ermöglichen.
Für nähere Informationen zu den Wahllokalen wird auf www.passegalwahl.at verwiesen.
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