Die italienische Kampagne „sezonieri“ hat sich seit ihrer Gründung vor über zehn Jahren zu einer wichtigen Stimme für die Rechte von Erntearbeiter:innen in Österreich entwickelt. Unter der Leitung von Sónia Melo, einer engagierten Aktivistin und Mitbegründerin der Initiative, hat die Kampagne alljährlich die schwierigen Bedingungen aufgezeigt, unter denen mehr als 18.000 Menschen, überwiegend aus Osteuropa, in der österreichischen Landwirtschaft arbeiten. Diese Arbeiter:innen sind für die Ernte von Obst und Gemüse verantwortlich, welches in die Regale der heimischen Supermärkte gelangt.
Die Herausforderungen der Erntearbeiter:innen
Die Realität für viele dieser Saisonarbeitskräfte ist hart. Schichtdienst in der Hitze, Überstunden und Löhne, die häufig unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, kennzeichnen ihren Alltag. Berichte belegen, dass in Wien Arbeitnehmende mit Stundensätzen zwischen 4,50 Euro und 5,50 Euro konfrontiert sind, was etwa der Hälfte dessen entspricht, was in den Kollektivverträgen festgelegt ist. Diese Missstände sind nicht nur ungerecht, sondern auch eine demütigende Erfahrung, die oft mit extremen physischen Anstrengungen verbunden ist.
Eine positive Entwicklung: der Sprachkurs
Um die Erntearbeiter:innen zu unterstützen, bietet „sezonieri“ seit letztem Jahr in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer Wien einen kostenlosen Deutschkurs an. Dieser Kurs findet jeden Sonntag in Simmering statt und vermittelt nicht nur die deutsche Sprache, sondern bietet auch Informationen zu Arbeitsrechten und anderen praktischen Themen. Das Angebot ist niederschwellig gestaltet und steht allen Erntearbeitenden offen, unabhängig von ihren bisherigen Sprachkenntnissen.
Umgang mit persönlichen Herausforderungen
Die Teilnehmer:innen des Kurses haben die Möglichkeit, alltägliche Anliegen zu besprechen. Häufige Themen sind beispielsweise Fragen zu Bankkonten oder der Kontakt zu Behörden. Zudem wird thematisiert, wie man sich rechtlich gegen unfairen Umgang wehren kann. Sónia Melo betont, dass die Kurse auch dazu beitragen, ein Gefühl der Gemeinschaft unter den zuvor isolierten Arbeitnehmenden zu fördern.
Der Kurs als Weg zur Wahrnehmung der Rechte
Die Aufklärung über Arbeitsrechte ist ein zentraler Bestandteil des Kurses. Viele der Teilnehmenden haben oft nicht die vollständige Einsicht in die gesetzlichen Regelungen, die ihre Beschäftigung schützen sollten. Ein Beispiel: Ein Teilnehmer kam nach dem Kurs auf die Organisation zu und bat um Unterstützung, um ausstehende Zahlungen einzufordern. Solche Entwicklungen zeigen, dass das Bewusstsein für eigene Ansprüche am Arbeitsplatz wächst.
Ein Raum für Austausch und Lernen
Das Engagement am Sonntag ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass viele der Teilnehmenden nach einer Arbeitswoche von bis zu 80 Stunden zu diesem Kurs kommen. In den ersten Sitzungen nahm eine Gruppe von etwa zehn bis zwölf Menschen teil, während die Zahl jetzt, in der Hochsaison, zurückgegangen ist. Dennoch zeigt die Teilnahme, wie wichtig es für die Arbeitnehmenden ist, ihre Stimme zu hören und sich über ihre Rechte auszutauschen.
Gemeinschaft und Solidarität stärken
Die Kurse schaffen die Möglichkeit, weitere soziale Kontakte zu knüpfen, was besonders für Menschen von Bedeutung ist, die in ständiger Isolation arbeiten und leben. Einige der Teilnehmenden nutzen die Gelegenheit, um Freundschaften zu schließen und soziale Kontakte außerhalb des Landwirtschaftskontextes zu pflegen. Die Gemeinschaftsbildung ist ein zentraler Fortschritt, den die Kampagne „sezonieri“ fördert, und da sind positive Veränderungen klar sichtbar.
Ein bewusster Perspektivenwechsel
Diese Initiative ist mehr als nur ein Sprachkurs; sie symbolisiert eine Bewegung, die darauf abzielt, die Lebensbedingungen und Rechte von Erntearbeiter:innen zu verbessern. Mélo sieht zudem eine notwendige Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit voraus, dass Ausbeutung nicht nur in fernen Ländern stattfindet, sondern sich ebenso vor unseren eigenen Haustüren abspielt. Die fortschreitende Unterstützung und das wachsende Bewusstsein in der Bevölkerung ermutigen die Aktiven, weiterhin für die Rechte der Erntearbeiter:innen einzutreten.