In Wien steht ein innovatives Pilotprojekt bevor, das darauf abzielt, die seit Jahren unbesetzten Kassenstellen durch temporäre Besetzung zu entlasten. Ärzte des sogenannten Ärztefunkdienstes werden ab sofort diese Lücken füllen und somit zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in der Stadt beitragen. Die Idee stammt von der Ärztekammer Wien und der Österreichischen Gesundheitskasse, die darauf setzen, mit einem neuen Ansatz, genannt „Pop-Up-Konzept“, Handlungsspielräume zu schaffen und gleichzeitig die Attraktivität des niedergelassenen Bereichs zu steigern.
Immer wieder beschweren sich Bürger darüber, dass sie keinen Hausarzt in ihrer Nähe finden können. Dies stellte auch Johannes Steinhart, Präsident der Ärztekammer Wien, bei einer Pressekonferenz fest. Das Problem ist nicht neu und die Gründe dafür sind vielfältig: Junge Ärzte haben oft Bedenken, sich im niedergelassenen Bereich zu engagieren, was zu einem Mangel an Kassenärzten führt. In vielen Fällen sind es unzureichende Anreize und falsche Erwartungen, gepaart mit der Tatsache, dass viele erfahrene Ärzte in den Ruhestand gehen.
Konsumation neuer Konzepte
Das Pilotprojekt wird mit einem Start in zwei Praxen, einer in Liesing und einer in Rudolfsheim-Fünfhaus, beginnen. Der genaue Starttermin steht noch nicht fest, doch die Verantwortlichen betonen, dass dieses Vorhaben „so schnell wie möglich“ umgesetzt werden soll. Die Mediziner, die in diesen Praxen arbeiten, werden nach den Honorarsätzen des niedergelassenen Sektors bezahlt und können sich in einem Wechseldienst abwechseln, was Flexibilität in der personellen Besetzung schaffen soll.
Steinhart nennt die Situation ernst, denn unbesetzte Kassenstellen führen zu Versorgungsengpässen, langen Wartezeiten und zusätzlichem Druck auf die bestehenden Gesundheitseinrichtungen. Das „Lücken stopfen“ hat somit sowohl menschliche als auch operationale Relevanz: Es geht darum, die Gesundheit der Bevölkerung zu sichern.
Eine neue Perspektive für Mediziner
Ein zentrales Ziel des Pilotprojekts ist es, jungen Ärztinnen und Ärzten zu zeigen, wie vielschichtig und erfüllend die Tätigkeit im niedergelassenen Bereich sein kann. „Learning by Doing“ könnte hier als Motto dienen, denn durch praktische Erfahrungen vor Ort sollen Hemmungen abgebaut und die Freude am Beruf wieder entflammt werden. Die neu gegründete gemeinnützige „Ärztebereitstellungs-G.m.b.H.“ wird die logististischen Rahmenbedingungen schaffen, indem sie notwendige Ordinationen und Equipments bereitstellt. Sowohl die ÖGK als auch die Ärztekammer arbeiten zusammen, um einen reibungslosen Übergang für junge Ärzte zu gewährleisten.
Es gibt auch eine interessante Perspektive für die langfristige Sicherstellung ärztlicher Versorgung. Sollte ein temporär eingesetzter Arzt beschließen, die Praxis dauerhaft zu übernehmen, wird dies unkompliziert ermöglicht. Andreas Huss, Obmann der ÖGK, stellte klar, dass es sich hierbei nicht um eine Konkurrenz zu bestehenden Kassensystemen handelt. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, Ärzte in der Übergangszeit zu unterstützen.
Die Situation in Wien ist bislang zwar überschaubar, aber die Herausforderung ist real. Nach Aussage von Huss gibt es nur sechs Stellen, die seit Langem unbesetzt sind, doch gerade in diesen betroffenen Gebieten wirkt sich der Mangel dramatisch aus. Während neue Arztpraxen ausgeschrieben werden, gibt es also einen klaren Handlungsbedarf für die Zeit zwischen der Abgabe einer Stelle und der Anstellung eines neuen Arztes.
Das Pilotprojekt wird auf ein Jahr angelegt und danach evaluiert. Sollte sich das Konzept als erfolgreich erweisen, steht einer Ausweitung auf ganz Österreich nichts im Wege. Der Fokus liegt wesentlich auf Allgemeinmedizin, jedoch könnte das Modell auch auf Spezialgebiete wie Gynäkologie und Kinderheilkunde ausgeweitet werden. Naghme Kamaleyan-Schmied, Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte, äußert sich besorgt über den Ärztemangel und die Herausforderungen, die dadurch entstehen. Die Idee des „Pop-Up“-Arztes ist als kurzfristige Übergangslösung konzipiert, während die grundlegenden Rahmenbedingungen wie Honorarsystem und Arbeitszeiten weiter reformiert werden müssen, um eine dauerhafte Lösung zu finden.
In der gesamten Diskussion um die ärztliche Versorgung handelt es sich um weitreichende Überlegungen, wie solche Projekte das medizinische Versorgungssystem nachhaltig verändern können.
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