Vor 15 Jahren, im Oktober 2009, begannen die Studierenden in Wien, gegen die Einführung des Bologna-Systems zu protestieren, indem sie die Hörsäle besetzten. Diese massiven und öffentlichkeitswirksamen Aktionen waren nicht nur Ausdruck des Unmuts über die neuen Regelungen zur akademischen Ausbildung, sondern auch ein bedeutendes Zeichen der Solidarität unter den Studierenden im gesamten Land.
Am 20. Oktober 2009 ging es los. In der Aula der Akademie der bildenden Künste Wien fanden die ersten Besetzungen statt. Nur zwei Tage später, am 22. Oktober, wurde das Audimax der Universität Wien, der größten Universität Österreichs, besetzt. Dieses Ereignis markierte den Beginn einer Welle von Besetzungen, die sich schnell auf andere Hochschulen in Österreich und sogar auf einige deutsche Universitäten ausbreitete.
Der Unmut der Studierenden
Die Studierenden waren nicht nur über die neuen Anforderungen des Bologna-Systems verärgert, das in der EU für mehr Vergleichbarkeit von Studiengängen sorgen sollte. Ihnen missfiel insbesondere die Umstellung von traditionellen Diplomstudiengängen auf ein Bachelor- und Master-System. Diese Reform ging einher mit neuen Studienplänen, die als Einschränkung ihrer Wahlfreiheit wahrgenommen wurden. Hinzu kamen Zugangsbeschränkungen bei bestimmten Studiengängen, die als ungerecht empfunden wurden.
Aber das war noch nicht alles. Auch das Gefühl, dass die universitäre Bildung zunehmend einer praktischen Berufsausbildung ähnele, sowie die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen sorgten für zusätzlichen Unmut. Diese Mischungen aus Unzufriedenheit führten dazu, dass die Studierenden auf die Straße gingen.
Die Welle der Besetzungen
Die Bewegung breitete sich schnell aus. Am 23. Oktober 2009 wurde die Vorklinik der Universität Graz von rund 50 Studierenden besetzt. Am 27. Oktober folgten weitere Hörsäle, wie die Universitätsarena am Campus Wien und der Hörsaal der Technischen Universität. Über die Monate zogen Besetzungen durch zahlreiche Hochschulen in ganz Österreich, wobei das Audimax in Wien zum zentralen Symbol dieser Protestbewegung wurde.
Innerhalb kürzester Zeit richteten die Studierenden eine Protest-Infrastruktur ein, komplett mit einem Pressezentrum und einer Küche. Organisiert durch selbstgewählte Plenen und Arbeitsgruppen, formulierten die Studierenden ihre Forderungen demokratisch und effizient. Die Bewegung schien auf lange Sicht für die Studierenden von Bedeutung zu sein.
Politische Unterstützung und Solidarisierung
Die Besetzungen zogen nicht nur Studierende, sondern auch prominente Unterstützer an. Persönlichkeiten wie die Politikerin Sigrid Maurer und Schriftsteller wie Robert Menasse äußerten ihre Solidarität. Auch Künstler und Kabarettisten, darunter Josef Hader und Florian Scheuba, traten während der Besetzungen auf und zeigten ihren Rückhalt für die Anliegen der Studierenden.
Diese Unterstützung zeigte sich nicht nur in den universitären Kreisen. Der Widerstand der Studierenden fand Resonanz in der breiten Bevölkerung. So schlossen sich die Studierenden auch den Forderungen von Arbeitnehmenden in anderen Branchen an, indem sie beispielsweise bei Lohnverhandlungen mit Metallern protestierten.
Kampf um die Hörsäle
Die Monate vergingen, und die Besetzungen dauerte an. In vielen der größten Universitäten des Landes gab es immer wieder kurzfristige Aktionen, die für Aufmerksamkeit sorgten. Schließlich wurde das Audimax der Uni Wien am 21. Dezember 2009, 61 Tage nach den ersten Besetzungen, geräumt. Die Polizei war dabei, um die Besetzenden und auch einige Obdachlose, die dort Unterkunft gefunden hatten, zu vertreiben. Der Räumungsbefehl sorgte für Empörung und einen letzten lautstarken Protest der Studierenden.
Trotz der Räumung des Audimax hielten die Proteste an, wenn auch in kleinerem Rahmen. Letztlich stellten die Studierenden nicht nur auf ein drängendes Problem in Bezug auf Bildung und Finanzierung der Hochschulen aufmerksam, sondern provozierten eine umfassende Diskussion über den Zustand der akademischen Bildung.
Die Forderungen führten zu einigen lokalen Erfolgen. So erhielten Universitäten einige Mittel zur Verfügungstellung für spezifische Institute und Bereiche. Trotzdem, das Bologna-System wurde weitestgehend implementiert und ist mittlerweile an den Hochschulen in Österreich fester Bestandteil.
Die 15-jährigen Erinnerungen an diesen bedeutenden Moment in der Geschichte der österreichischen Hochschulbildung rufen nicht nur nostalgische Gefühle hervor, sondern zeigen, wie wichtig es ist, für die eigenen Überzeugungen einzustehen. Die Studierendenbewegung hat die Diskussion über Bildung in Österreich nachhaltig geprägt und die Politik zum Handeln gezwungen, auch wenn viele der damaligen Forderungen nicht in vollem Umfang erfüllt wurden.