Die neueste Inszenierung von „Onkel Wanja“ in der Josefstadt sticht besonders durch das beeindruckende Bühnenbild von Christian Schmidt hervor. Er hat ein elegantes Landgut im westlichen „Schöner Wohnen“-Stil geschaffen, das sich durch massive Steinmauern und einen Kamin im Salon auszeichnet. Die holzvertäfelten Wände und die gediegenen Kandelaber schaffen eine Atmosphäre, die sowohl charmant als auch nostalgisch wirkt. Eine besondere Auffälligkeit ist das Telefon mit Wählscheibe und auch ein Plattenspieler, der während der Aufführung einige bekannte Hits spielt, darunter „You Make Me Feel“ von Sylvester und „All by Myself“ von Eric Carmen.
Die Aufführung, die am Donnerstag Premiere feierte und fast drei Stunden dauert, bringt nicht nur klassische Themen zur Sprache, sondern auch moderne akustische Elemente. Das Stück zeigt eine lebendige Küche, in der tatsächlich gekocht wird – die Gerüche von Spiegeleiern und Spaghetti Carbonara durchziehen die Luft. Das Haus selbst scheint eine Hauptrolle zu spielen und verstärkt die thematischen wie auch emotionalen Konflikte zwischen den Charakteren, besonders zwischen Wanja und der schönen Jelena, in die er verliebt ist.
Ein Spiel der Gefühle
Die Inszenierung wird von Klamauk und Slapstick begleitet, wenn die Figuren im Stück mit den Herausforderungen ihres Lebens konfrontiert werden. Wanja träumt von einer Familie und wünscht sich eine Neuordnung der Beziehungen, während er im Schatten des alten Professors lebt, dessen neue Frau die alte Ordnung durcheinanderbringt.
Ein inspirierendes Beispiel dieser Produktion dürfte die Aufführung „Dėdė Vania“ aus dem Kleinen Theater Vilnius sein, die während der Wiener Festwochen 2023 zu sehen war. Hier steht die Live-Musik im Vordergrund und sorgt für eine dynamische Präsentation des Stücks. In der aktuellen Inszenierung wird ebenfalls auf den Kontakt zum Publikum gesetzt, indem Figuren direkt aus dem Setting treten und einen Dialog mit den Zuschauern suchen.
Trotz der gelungenen Bühnentechnik und der unterhaltsamen Aspekte der Darbietung wird die tiefere Melancholie der Figuren nicht voll ausgeschöpft. Besonders die Figur der Sonja, die vergeblich versucht, den Arzt Astrow für sich zu gewinnen, wird nicht tiefgründig genug ausgearbeitet. Erst im Schlussmonolog erhält Johanna Mahaffy die Möglichkeit, ihre Emotionen voll zum Ausdruck zu bringen.
Die Leistungen der Schauspieler sind bemerkenswert. Joseph Lorenz als Professor steht im Mittelpunkt, während Thomas Frank mit seinem skurrilen Humor besticht. Marianne Nentwich bringt mit ihrer Figur eine rührende Note ins Geschehen, während Alexander Absenger charmant als Astrow für den Humor sorgt. Alma Hasun als Jelena bleibt unnahbar, was die Dynamik zwischen den Charakteren zusätzlich hebt.
Besonders berührt ein Moment, in dem Raphael von Bargen in einer Pantomime seine Liebe zur Jelena ausdrückt. Dies bildet den emotionalen Höhepunkt der Aufführung, in dem er die inneren Konflikte und die Verzweiflung seiner Figur überzeugend darstellt. Die Zuschauer erleben hier, dass trotz der beeindruckenden Bühnendekoration das Herzstück des Stückes in den Gefühlen und Beziehungen der Charaktere liegt.
Die Inszenierung in der Josefstadt fesselt das Publikum und erntet großen Beifall. Auch wenn die Atmosphäre von Tschechow nicht vollends durchdrungen wird, bleibt die Kombination von humorvollen Momenten und emotionalen Tiefgang ein starkes Merkmal dieser Aufführung. Der kritische Unterton über den Einfluss der äußeren Umstände auf die Menschen und deren Lebensgeschichten wird eindrucksvoll vermittelt. Aktuelle Themen und ein zeitgenössischer Zugang sorgen dafür, dass diese Version von „Onkel Wanja“ sowohl relevant als auch unterhaltsam ist. Die Kritiker heben hervor, dass diese Produktion ein Renner werden könnte, da sie neue Perspektiven und Interpretationen des Klassikers bietet, der einst so bekannt war.