Obwohl Robert Seethaler mittlerweile in Berlin lebt, bleibt Wien für ihn ein prägender Teil seiner Identität. Der in Favoriten geborene Schriftsteller hat in seinen Werken immer wieder Bezug auf seine österreichische Heimat genommen. Seine Romane, wie „Der Trafikant“ und „Ein ganzes Leben“, sind weltweit für ihre tiefgründigen Charaktere und die Verbindung zur Geschichte anerkannt, wobei er enge Einblicke in sozialen Wandel und individuelle Schicksale gewährt.
„Ich bin vor 25 Jahren nach Berlin gezogen“, erklärt Seethaler, „aber in meinem Herzen bleibt Wien mein Lebensmittelpunkt.“ Das Aufwachsen in Wien hat ihn stark geprägt, auch wenn er nun als österreichisch-deutscher Staatsbürger in einer anderen Stadt lebt. Der Autor, der inzwischen oft über seine Wiener Vergangenheit reflektiert, erwähnt, dass die Sozialisation und die Erinnerungen an seine Kindheit für ihn komplexe Gefühle hervorrufen.
Ein neuer Blick auf Österreich
Der Blick auf Österreich hat sich für Seethaler durch seine Auswanderung geändert. Er beschreibt, dass er das Land aus der Ferne „offener und wärmer“ wahrnimmt. Diese distanzierte Perspektive erlaubt es ihm, die positiven Aspekte seiner Heimat besser zu erkennen. „Wenn man woanders lebt, wird einem das bewusst“, sagt er und betont, dass er die Schönheiten von Österreich jetzt freundlicher sieht als in der Vergangenheit.
In seinen Erinnerungen an die Kindheit sind jedoch auch weniger schöne Aspekte präsent. „Ich würde die Situation der 70er und 80er Jahre nicht idealisieren“, sagt Seethaler. Die Engstirnigkeit, die damals vielerorts herrschte, hat ihn geprägt und er reflektiert darüber, dass es trotz gewisser nostalgischer Rückblicke Raum für Weiterentwicklungen gibt.
„Heimat ist für mich Herkunft“, schildert er seine tiefere Ansicht über das Konzept der Heimat und verweist auf die untrennbaren Bindungen an Orte seiner Jugend, die prägend für seine persönliche Entwicklung waren. Dennoch gesteht er ein, dass er aufgrund seiner Lebensumstände keine Heimatgefühle mehr verspürt. „Ich bin so viel unterwegs“, reflektiert er, und beschreibt, dass die Orte seiner Jugend zwar wichtig sind, ihm jedoch das Gefühl einer festen Heimat fehlt.
Obwohl er sich in Wien gut auskennt und regelmäßig seine Eltern besucht, erkennt er in der Stadt einen Wandel: „Wien ist heute eine leuchtende, weltoffene Stadt voller Freiheit.“ Für Seethaler ist es das schöne an Wien 2024, dass es sich weiterentwickelt hat und nicht mehr in den typischen Klischees gefangen ist. „Ich wünsche mir kein Zurück“, hebt er hervor und betont den internationalen Charakter der Stadt, der durch Einflüsse aus aller Welt bereichert wird.
Seethaler thematisiert auch den Begriff des „goldenen Wiener Herzens“ und stellt in Frage, ob dieser noch immer zutrifft. „Ein goldenes Herz, das auf Kosten anderer Stimmung macht, kann ich nicht akzeptieren“, erklärt er und zeigt sich kritisch gegenüber nicht nur nostalgischen Verklärungen, sondern auch gegenüber negativen Stereotypen, die oft in der Gesellschaft vertreten werden. „Wien ist schön“, stellt er fest, doch er besteht darauf, dass wir uns von sentimentalen Rückblicken lösen sollten.
In einem weiteren Gespräch über die politische Situation in Österreich sagt Seethaler: „Die Entwicklungen sind eher ein langsames Hinübergleiten, kein plötzlicher Rechtsruck.“ Er fordert, dass der Fokus auf die 70 Prozent der Bevölkerung gerichtet werden sollte, die nicht die FPÖ gewählt haben. Seine Ansichten über die politische Lage sind von einem gewissen Optimismus geprägt, wobei er dazu anregt, die eigene Erzählung zu stärken und nicht lediglich auf die Destruktivität der Opposition zu reagieren.
Die Ursachen für die Anziehungskraft des rechten Spektrums sieht Seethaler auch in der Sehnsucht der Menschen nach klaren Perspektiven. „Viele fühlen sich in ihrer jetzigen Lebenssituation unsicher“, sagt er und reflektiert die Stärken des Rechtsradikalismus, die sich aus deren Fähigkeit ergeben, laut und klar zu kommunizieren.
Über all die Themen hinweg bleibt Seethaler mit seiner Heimat verbunden. Er beschreibt, dass die Wurzeln in Wien für ihn wichtig sind und ihn immer wieder in seinem Schaffensprozess begleiten. „Ohne Wurzeln gibt es kein Wachstum“, schlussfolgert er und deutet an, dass seine Herkunft stets ein Teil seiner schriftstellerischen Identität bleibt.
Für detailliertere Einblicke in Robert Seethalers Perspektiven und seine literarischen Werke, siehe den Bericht auf freizeit.at.