Das Wien Museum erfreut sich nach der Wiedereröffnung im Dezember 2023 einer bemerkenswerten Besucherzahl von über 415.000 Personen, die die vielfältigen Aspekte der Wiener Geschichte kostenlos erleben können. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler hat in einem Interview mit MeinBezirk die fünf faszinierendsten Exponate des Museums hervorgehoben, die einen tieferen Einblick in die Wiener Kultur und Geschichte geben.
Ein vermisster Blick auf die Geschichte
Besonders sinnvoll ist es, sich mit der rasanten Entwicklung der städtischen Architektur zu beschäftigen, wie sie im Beispiel des Wiener Gemeindebaus zu sehen ist. Zwischen 1919 und 1960 entstanden über 100.000 Gemeindebauwohnungen, die ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Wohnverhältnisse in Wien waren. Diese Initiative half, die unzulänglichen und oft ungesunden Bedingungen abzubauen und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg mit Plattenbauweisen zusätzlichen Raum zu schaffen.
Poldi, der Wal mit Geschichte
Eine der besonderen Figuren im Wien Museum ist der Praterwal, bekannt als Poldi. Ursprünglich im Prater auf dem Dach eines Gasthauses platziert, steht Poldi für die Zusammenkunft aller gesellschaftlichen Schichten in Wien und reflektiert die Geschichte und den Einfluss des Praters als bedeutendes Freizeitgebiet. Während der Prater viele innovative Attraktionen präsentierte, birgt er auch dunkle Seiten, wie die Ausstellungen von Menschen mit Behinderungen zu damaliger Zeit, die heutzutage unvorstellbar sind.
Hilde Loewe-Flatter: Verborgene Talente
Die Geschichte von Hilde Loewe-Flatter, einer Pianistin und Komponistin, wird im Museum ebenfalls beleuchtet. Trotz ihrer bedeutenden Beiträge zur Musik veröffentlichte sie ihre Werke unter dem männlichen Pseudonym Henry Love, da es für Frauen im 19. und 20. Jahrhundert nur selten akzeptiert wurde, als kreative Persönlichkeiten anerkannt zu werden. Ihre Geschichte steht exemplarisch für die Herausforderungen, denen Frauen in der damaligen Gesellschaft gegenüberstanden.
Ein Sessel mit Geheimnis
Eines der denkwürdigsten Objekte des Museums ist der Sessel, der für Dr. Karl Lueger, einen der umstrittensten Bürgermeister Wiens, gefertigt wurde. Zu seinem 60. Geburtstag erhielt er diesen opulenten Sessel, der eine geheime Botschaft der Handwerker enthält. Diese Botschaft lenkt den Blick auf die widersprüchliche Rolle Luegers, der einerseits als populärer Bürgermeister für städtebauliche Fortschritte bekannt war, gleichzeitig aber auch den Antisemitismus förderte, der seine Zeit prägte. Ein ehrlicher Dialog über solche historischen Figuren ist notwendig, um die Komplexität der Vergangenheit zu begreifen.
Spielplätze der Kindheit
Ein weiteres Highlight ist die Rückkehr zu Kindheitserinnerungen, besonders im Zusammenhang mit der Freizeitgestaltung in Meidling. Kaup-Hasler schildert, wie Kinder in der Vergangenheit unkonventionelle Spielmöglichkeiten suchten, die oft nicht erlaubt waren. Diese Erinnerungen unterstreichen den Wandel in der Stadt und die heute bessere Zugänglichkeit zu Grünflächen und Freizeitangeboten für die jüngere Generation.
Ein Blick in die Gesellschaft
Die Exponate im Wien Museum zielen darauf ab, eine breitere Diskussion über die Wiener Geschichte zu ermöglichen und die oft vergessenen Geschichten der Frauen und anderer marginalisierter Gruppen zu beleuchten. Die Arbeit des Wiener Museums hat Relevanz, nicht nur um die Geschichte von Wien zu bewahren, sondern auch, um aktuelle gesellschaftliche Themen zu reflektieren und somit zu einem tieferen Verständnis und einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit anzuregen.
Die Verantwortung der Erinnerung
Die Erhaltung und Ausstellung dieser historischen Artefakte zeigt, wie wichtig es ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Museen wie das Wien Museum bieten einen Raum für Reflexion und Erkenntnis, wo sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte der Geschichte beleuchtet werden können. Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die lokale Gemeinschaft von Bedeutung, sondern auch für Besucher und Historiker aus aller Welt, die die Komplexität und den Reichtum der Kultur Wiens verstehen möchten.