Am 10. Oktober fand im Stadtkino in Wien die Premiere des aufwendigen Dokumentarfilms "Akademische Abgründe - Rechtsextremismus im Hörsaal" statt. Der Film wurde vom Team bestehend aus Andreas Filipović, Samira Fux und Lukas Ellmer produziert und zielt darauf ab, die faschistische Vergangenheit an Österreichs Hochschulen kritisch zu beleuchten. Realisiert wurde das Projekt in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH).
Im Anschluss an die Vorführung fand eine lebhafte Podiumsdiskussion statt, an der unter anderem der ehemalige Finanzminister Ferdinand Lacina und Bianca Kämpf vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DOEW) teilnahmen. Lacina, der über ein schwerwiegendes Kapitel in der Hochschulgeschichte sprach, erzählte von seiner damaligen studentischen Erfahrung mit dem Professor Taras Borodajkewycz, der aufgrund seiner umstrittenen Äußerungen in Verruf geriet.
Wichtige historische Enthüllungen
Eine zentrale Thematik des Films war die Entlassung von Borodajkewycz, der von 1955 bis 1971 an der Hochschule für Welthandel lehrte. Besonders brisant ist Lacinas Erinnerungen an die Vorlesungen des Professors, die unter anderem Hitlers Rede am 15. März 1938 lobten. Diese Erlebnisse veranlassten Lacina, sich an seinen Kommilitonen Heinz Fischer zu wenden, der später Bundespräsident wurde. Der Dokumentarfilm zeigt Interviews mit den beiden, in denen sie sich mit den fragwürdigen Reden und deren Auswirkungen beschäftigen.
In einer kritischen Auseinandersetzung, die durch die Lacina-Mitschriften angestoßen wurde, berichtete Fischer in sozialdemokratischen Zeitungen über das Verhalten Borodajkewyczs. Trotz schwerer Vorwürfe ließ er die Quellen seiner Informationen ungenannt, um Lacinas akademische Zukunft zu schützen. Dies führte jedoch zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, bei der Fischer wegen Ehrenbeleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
Die von Fischer und anderen organisierten Demonstrationen richteten sich gegen Rechtsextremismus an den Universitäten, besonders gegen Borodajkewycz. Tragisch endete eine dieser Demonstrationen im Jahr 1965, als der Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem rechtsextremen Aktivisten schwer verletzt wurde. Kirchweger verstarb zwei Tage später an seinen Verletzungen. Trotz aller Proteste wurde Borodajkewycz erst 1971 gezwungen, sich in den Ruhestand zu begeben.
Eine bedeutende Verantwortung
Bianca Kämpf von DOEW, die ebenfalls an der Diskussion teilnahm, betonte die Wichtigkeit der Auseinandersetzung mit der Geschichte an den Universitäten. Sie erklärte, dass es entscheidend sei, um Kontinuitäten zu erkennen und um Verantwortung zu übernehmen oder mangelnde Verantwortung zu identifizieren. Ihre Aussagen unterstrichen die Relevanz der Dokumentation für das Verständnis der gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen.
Darüber hinaus thematisierte der Film auch die Konflikte in den 70er-Jahren an der Universität Wien, als die Nationaldemokratische Partei (NPD) und die Aktion Neue Rechte (ANR) versuchten, ihren Einfluss auszubauen. Die Studierendenvertretung der SPÖ, unterstützt von ihrem Rechtsanwalt Gabriel Lansky, leitete rechtliche Schritte ein, um diese Bestrebungen zu unterbinden. Lansky berief sich auf das Verbot von NS-Nachfolgeparteien, und der Fall erreichte schließlich den Verfassungsgerichtshof.
Lansky, der im Gespräch mit Bruno Kreisky versuchte, Beweismaterial zu sammeln, stellte fest, dass auch er auf Schwierigkeiten stieß. Kreisky konnte sich nicht entschließen, die Aussage zu unterschreiben, dass es in Österreich keine nationalsozialistischen Parteien geben dürfe, was Lansky schockierte. Diese Episode verdeutlicht die komplexen politischen Verhältnisse jener Zeit und die Herausforderungen in der Entnazifizierung der österreichischen Gesellschaft.
Die Diskussion nach der Filmvorführung verdeutlichte, wie wichtig es ist, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und die Lehren daraus zu ziehen. Die Fragen und Antworten sorgten für einen spannenden Austausch unter den Anwesenden und machen deutlich, dass das Thema Rechtsextremismus noch immer eine bedeutende Rolle in der wissenschaftlichen und öffentlichen Debatte spielt.
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