Im Tiroler Landestheater Innsbruck fand kürzlich eine bemerkenswerte Premiere statt, die für frischen Wind in der Opernszene sorgt. Mit „Liebesgesang“, einem Werk von Georg Friedrich Haas, wurde eine Oper aufgeführt, die nicht nur musikalisch herausfordert, sondern auch emotional tief berührt. Das Stück wurde nach einem Libretto von Händl Klaus kreiert und stellt sich als Kammeroper für zwei Stimmen ohne instrumentale Begleitung dar. Die Inszenierung, die am 13. September 2024 zur österreichischen Erstaufführung kam, zeigt ein intensives Liebestrennungsduett, das die Besucher in seinen Bann zog.
Regisseur Marcos Darbyshire setzte diese ergreifende Geschichte gekonnt in Szene. Die Bühne war mit quaderförmigen, dunklen Elementen ausgestattet, die eine klaustrophobische Atmosphäre erzeugten und die Isolation der Charaktere verstärkten. In dieser reduktionistischen Umgebung entfaltet sich die Tragik der Beziehung zwischen den Protagonisten, dem kranken Christian, dargestellt von Benjamin Chamandy, und seiner Frau Luz, gespielt von Mimi Doulton. Die beiden Sänger präsentierten eine beeindruckende vokale Darbietung, die die Zuschauer tief berührte.
Einblicke in die Handlung
Die Geschichte spielt in einem Sanatorium, wo Christian sich in einem körperlich und psychisch geschwächten Zustand befindet. Luz besucht ihn, um sich von ihm zu verabschieden und bringt ein von ihm verfasstes Buch über Tierwelten mit. Zunächst erinnert Christian sich nicht daran, doch die Erinnerungen kommen langsam zurück und enthüllen die Schatten, die über ihrer Beziehung liegen. Der Verborgene wird offenkundig: Christian hat Luz viele belastende Geheimnisse vorenthalten. Während sie aus dem Buch vorliest, blühen alte Erinnerungen und Emotionen auf, was die beklemmende Stimmung noch verstärkt.
Die musikalische Komplexität von „Liebesgesang“ ist bemerkenswert. Haas verwendet eine Vielzahl vokaler Techniken, darunter Flüstern und Gutturaleffekte, um die emotionalen Konflikte der Charaktere darzustellen. Die Stille, die oft als Teil der Darbietung integriert wird, schafft eine Intimität, die das Publikum in die Gefühlswelt der Protagonisten hineinzieht. Katharina Duda, die Dramaturgin, hob besonders hervor, wie wichtig der Einsatz von Stille in der Oper ist, was dem Werk eine besondere Dynamik verleiht.
Die Darsteller waren in ihrer schauspielerischen und stimmlichen Performance von großer Intensität. Doultons strahlender Sopran harmonierte perfekt mit Chamandys gefühlvollem Bassbariton. Ihre Darstellung war nicht nur musikalisch, sondern auch emotional fesselnd; der intensiven Schmerzdynamik und dem Kampf mit der unausweichlichen Realität der Trennung verliehen sie Ausdruck. Besonders eindrucksvoll war die Szene, in der sich Luz’ Entschlossenheit, Christian zu helfen, mit seinem inneren Konflikt kreuzte, was das Publikum spürbar mitriss.
Gegensätze sind ein zentrales Element des Werkes, wobei das Zusammenspiel von Licht und Dunkelheit sowie von Klang und Stille die Entwicklung der Charaktere verdeutlicht. Die schlichte, aber eindringliche Inszenierung von Martin Hickmann sorgte für eine visuelle Untermalung, die die Botschaft des Stücks verstärkte. Die Verweigerung von Übertiteln sorgte dafür, dass die Zuhörer ganz auf die Gesangskunst der beiden Darsteller fokussiert waren, was das Erlebnis noch eindringlicher machte.
Fazit und Reaktionen
Die Premiere von „Liebesgesang“ wurde von einem Publikum, das sich stark aus Liebhabern der Neuen Musik zusammensetzte, begeistert aufgenommen. Am Ende der Vorstellung gab es frenetischen Applaus für die Darsteller und das gesamte Team, was die hohe Qualität der Aufführung unterstrich. Der Ausdruck von Schmerz und Verlust sowie die gekonnte musikalische Umsetzung von Haas’ Komposition fanden großen Anklang und boten einen tiefen Einblick in die menschliche Psyche und die Herausforderungen zwischenmenschlicher Beziehungen.
Mit dieser gelungenen Produktion zeigt das Tiroler Landestheater, dass es in der Lage ist, auch in herausfordernden Zeiten künstlerisch zu glänzen. Die Erwartungen sind hoch, dass „Liebesgesang“ nicht nur in der Nische der Neuen Musik, sondern auch in der breiteren Öffentlichkeit weiter bestehen bleibt und das Interesse an zeitgenössischen Opernförderungen stärkt.
Thomas Nußbaumer hat einmal mehr bewiesen, dass Oper weit mehr ist als nur musikalische Darbietung; sie ist eine Geschichte von Liebe, Verlust und Hoffnung, die durch kreative Inszenierung und emotionalen Ausdruck lebendig wird.