In Innsbruck hat Bischof Ivo Muser bei einem wichtigen Jubiläum des Innsbrucker Doms eindringlich die Notwendigkeit betont, dass Europa eine „Seele“ benötigt, die auf christlichen Werten basiert. Diese Botschaft kam während der Vesperpredigt zur Feier des 300-Jahr-Weihejubiläums des Doms, wo Muser seine Zuhörer ermutigte, ein vereintes Europa als ein bedeutendes Friedensprojekt zu betrachten.
Der Bischof hüllte seine Ansprache in eine tiefe Reflexion über die gegenwärtige gesellschaftliche Situation. Er bezeichnete die gegenwärtige Zeit als eine Phase der Polarisierung, in der der Austausch von Ideen oft gestört wird und das Zuhören in der öffentlichen Debatte eine Seltenheit geworden ist. „Wir leben in einer Zeit der Polarisierung, in der sich Meinungen oft verhärten“, so Muser. Ein solches Klima, so betonte er, behindere den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gefährde das gemeinsame Miteinander.
Ein starkes Bindemittel für Europa
Für Muser braucht das „Friedensprojekt Europa“ ein starkes und tragfähiges Bindemittel. Dies sollte nicht nur politische und wirtschaftliche Kooperation fördern, sondern auch eine gesunde Gesellschaftlichkeit ermöglichen. Dabei diskutierte er die Rolle der kulturellen Diversität als eine essenzielle Komponente für das zukünftige Europa. „Eine Gesellschaft, die zusammenlebt und nicht nebeneinander“, forderte Muser. Diese Vision kann verwirklicht werden, wenn wir die unterschiedlichen Kulturen als Bereicherung ansehen.
Der Bischof erinnerte auch an die Gründung der Europäischen Union als „christlich-humanistische Wertegemeinschaft“. Mit ernstem Ton warnte er vor der Gefahr, das „Wir-Gefühl“ gegen einen gemeinsamen Feind einzutauschen. Dies äußere sich durch erstarkte nationalistische, fremdenfeindliche und populistische Strömungen, die den Zusammenhalt in der EU untergraben würden. Muser plädierte für eine Rückbesinnung auf die Werte, die den Zusammenhalt fördern – auf das Christentum, das als Quelle der Kraft und Hoffnung betrachtet werden kann.
Stärkung der christlichen Identität
Ein weiterer zentraler Punkt in Musers Ansprache war der Aufruf zur Stärkung der christlichen Identität. Er ermutigte die Christinnen und Christen, ihre Werte aktiv im Dialog mit anderen Kulturen und Religionen auszubilden und zu pflegen. Dazu gehörte auch der Hinweis auf die Bedeutung der Eucharistie, die eine wichtige Rolle im kirchlichen Leben spielt. Ein verstärktes Bewusstsein für die eigene Identität im Dialog mit anderen sei entscheidend, um gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Muser verwies auf historische Figuren, wie Märtyrer aus der Zeit des Nationalsozialismus, als leuchtende Beispiele für die Wahrnehmung dieser Verantwortung. Diese Persönlichkeiten, darunter Josef Mayr-Nusser und Carl Lampert, stehen exemplarisch für den Mut, christliche Werte zu verteidigen, selbst in den dunkelsten Zeiten der Geschichte.
Mit einem Blick in die Vergangenheit wies Muser darauf hin, dass der Vorgänger, Kaspar Ignaz von Künigl, die Weihe des Innsbrucker Doms am 9. September 1724 vorgenommen hatte. Die ursprüngliche Absicht war, die St.-Jakobs-Kirche zur „Vorhalle des Himmels“ zu gestalten. Dies verdeutlicht die spirituelle und kulturelle Bedeutung, die dieser Ort seit über drei Jahrhunderten für die Menschen in der Region hat.
Bischof Muser schließt mit der Hoffnung, dass die Werte, die den europäischen Gedanken begründen, nicht nur erhalten bleiben, sondern auch weiterentwickelt werden. In einer Zeit, in der das Miteinander oft auf der Strecke bleibt, sind seine Worte eine eindringliche Erinnerung an den Wert der Solidarität und des gegenseitigen Respekts in einem vereinten Europa.