In einem überraschenden Fund konnte Hermann F. Weiss, ein 87-jähriger Germanist aus Michigan, im Familienarchiv Buol-Berenberg fünf bislang unbekannte Briefe des berühmten deutschen Schriftstellers Heinrich von Kleist entdecken. Kleist, der von 1777 bis 1811 lebte und für seine Werke wie „Der zerbrochene Krug“ und „Michael Kohlhaas“ bekannt ist, schrieb diese Briefe zwischen 1809 und 1810 an den hochrangigen Diplomaten Joseph von Buol-Berenberg.
Die Briefe gelangten über familiäre Verzweigungen nach Kaltern, wo sie 1979 in den Ansitz Buol aufbewahrt und schließlich 2006 in den Ansitz Fennhals bei Kurtatsch transferiert wurden, der der Familie des Sammlers Andreas Di Pauli gehörte. Der jetzige Leiter der Bibliothek des Ferdinandeums, Roland Sila, berichtet von der überraschenden Entdeckung und dem Zustand der Briefe, die zum Teil in Obstkisten gelagert waren. Der Nachlass der Familie wurde 2007 als Schenkung dem Ferdinandeum übergeben, wobei das außergewöhnliche historische Potenzial der Briefe damals noch nicht bekannt war.
Die Entdeckung und ihre Bedeutung
Das Feuilleton in Deutschland reagiert begeistert auf diese literaturhistorische Sensation. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat bereits exklusiv über den Fund berichtet, der im kommenden Jahrbuch der deutschen Kleist-Gesellschaft veröffentlicht wird. Seriöse Literaturkenner heben die Hartnäckigkeit von Weiss hervor, der bereits in den 1980er Jahren infrage stellte, dass es noch mehr Briefe von Kleist geben könnte. Nach zahlreichen Jahren suchte er die Briefe erneut und vermutete, dass sie im Nachlass Buol-Berenberg im Ferdinandeum lagern könnten.
Nachdem der Bibliothekar Nikolaus Bliem mit der Durchsuchung der 289 Archiv-Kisten im Juli 2023 begann, fand man am 2. Oktober 2023 in Kiste 142 den ersten und dann in rasanter Folge die weiteren Briefe. Die Entdeckung wurde direkt an Weiss übermittelt, der sich mit anderen Kleist-Experten daran machte, die Schriften zu entziffern.
Kleist als Kriegsberichterstatter
Die Briefe von Kleist zeigen nicht nur seine literarische Begabung, sondern sind auch von historischer Bedeutung. So verfasste er am 22. und 23. Mai 1809 zwei Briefe aus Stockerau bei Wien, in denen er die brutale Schlacht bei Aspern dokumentierte, die als eine der ersten entscheidenden Niederlagen der napoleonischen Truppen gilt. Bei dieser Schlacht kamen innerhalb von 30 Stunden über 40.000 Soldaten ums Leben.
Wie Anne Fleig, die Präsidentin der Heinrich von Kleist-Gesellschaft, betont, hat Kleist die Ereignisse mit einer „theatralischen Qualität“ festgehalten. Er nutzte nicht nur eigene Beobachtungen, sondern auch Augenzeugenberichte und Militärbulletins, um ein detailliertes Bild des Geschehens zu vermitteln.
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist der vierte Brief, den Kleist am 18. August 1809 aus Prag verfasste. Darin übermittelte er von ihm verfasste Manuskripte, darunter eine Version von „Don Quixote“, die bislang nicht bekannt ist. Diese Entdeckung löst nun Spekulationen über möglicherweise unveröffentlichte Werke von Kleist aus, die mehr als 200 Jahre nach seinem Tod ans Licht kommen könnten.
Für eine detaillierte Betrachtung des Falls und der Hintergründe ist der Bericht auf www.rainews.it zu empfehlen.