In einem aktuellen Interview äußerte sich der Präsident der Arbeiterkammer, Erwin Zangerl, zu den bevorstehenden politischen Veränderungen in Österreich, insbesondere nach der Nationalratswahl am 29. September. Es wurde sowohl die Möglichkeit einer „Großen Koalition“ zwischen ÖVP und SPÖ als auch die Frage nach dem Verbleib des SPÖ-Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler diskutiert. Zangerl unterstrich, dass eine „breite Basis“ in solch schwierigen Zeiten sinnvoll wäre, allerdings stellt sich die Frage, inwiefern die SPÖ als Koalitionspartner infrage kommt, da ein Wechsel an der Parteispitze nicht ausgeschlossen sei.
Zangerl strich die Bedenken bezüglich einer Zusammenarbeit mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) heraus. Diese könnte als problematisch wahrgenommen werden, da sie in bestimmten Fragen als „demokratiepolitisch bedenklich“ eingestuft wird. Er verwies auf die Erfahrungen mit den Einrichtung von Interessensvertretungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die ihn an den sogenannten „Ständestaat“ erinnerten. Des Weiteren stellte er fest, dass Bundeskanzler Nehammer eine Koalition mit dem FPÖ-Chef Herbert Kickl bereits ausgeschlossen hat, was in Anbetracht der politischen Dynamik besonders relevant ist. Zangerl äußerte seine Skepsis dazu, ob die FPÖ bereit ist, ihre Positionen zu ändern oder an Kickl festzuhalten.
Politische Optionen und Herausforderungen
Auf die Frage nach der Möglichkeit einer Dreierkoalition führte Zangerl aus, dass dies natürlich denkbar sei, jedoch sowohl mit den Grünen als auch mit den NEOS Herausforderungen bestehen. Er erwähnte, dass es bei den Grünen bereits zu „Zerwürfnissen“ gekommen sei, während die Gespräche mit den NEOS ebenfalls wenig erfreulich waren. Ein Beispiel für die Schwierigkeiten ist eine Bemerkung seitens der NEOS, die als beleidigend und unangemessen bezeichnet wurde. Zangerl betonte, dass der Begriff „Kammerjäger“ nicht nur beleidigend sei, sondern einen äußerst negativen Unterton mit sich bringe, der den Vorwurf impliziert, dass gegen „Ungeziefer“ vorgegangen werden solle.
Inhaltlich richtete Zangerl besonders dringende Forderungen an die künftige Regierung. Dazu zählte die geforderte Entlastung der Arbeitnehmer durch eine Senkung der Steuern auf Löhne und Gehälter. Diese „enorme Belastung“ treffe vor allem den Mittelstand. Ein zentrales Thema war auch die Kalte Progression, die seiner Meinung nach als „effektiver staatlicher Lohnraub“ nahezu abgeschafft werden sollte. Er war offen für Diskussionen über die Lohnnebenkosten, stellte jedoch klar, dass Arbeitgeber konkret sagen müssten, was sie nicht mehr zahlen wollten. Andernfalls würde eine Entlastung nur deren Kosten betreffen und nicht zu mehr Einkommen für die Arbeitnehmer führen.
Bewertung der Landesregierung und Zukunftsinvestitionen
Als Arbeitskammerpräsident gab Zangerl der Tiroler Landesregierung unter Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) ein positives Zeugnis. Nach zwei Amtsjahren bezeichnete er die Zusammenarbeit als „engagiert, positiv und unaufgeregt“, was im Vergleich zu den bundespolitischen Entwicklungen als beinahe rasant wahrgenommen wird. Er hob besonders hervor, dass es keinen Streit gebe und das Team um Mattle als „Ruhepol“ wichtig für eine erfolgreiche Politik ist. Trotz dieser positiven Rückmeldungen äußerte Zangerl auch Kritik am „überbordenden Zentralismus“, der den Bundesländern Gestaltungsmöglichkeiten entziehe, was beispielsweise die Krankenkassenreform betrifft.
Bezüglich seiner persönlichen Karriere bestätigte Zangerl, dass er nach dieser Legislaturperiode nicht mehr als Arbeiterkammerpräsident antreten wolle. Obwohl es menschlich verständlich sei, dass es Anreize für einen Neustart gibt, stehe ein Wechsel in die Landespolitik für ihn nicht zur Debatte. Er betonte, dass die Gestaltungsmöglichkeiten in der Kammer bedeutend höher seien als in einer politischen Funktion auf Landesebene. Ein Wechsel zum Landeshauptmann sei ebenfalls kein Thema für ihn gewesen, was seine Pläne für die Zukunft unterstreicht.