In Innsbruck hat das Tiroler Landestheater einen bedeutsamen Moment in der Theaterlandschaft geschaffen: Die Uraufführung des Stücks „Verlangen“, geschrieben von Lisa Wentz und inspiriert von Eugene O’Neills „Desire Under The Elms“, fand am Samstagabend statt. Regisseurin Cilli Drexel setzte die Geschichte um eine von patriarchalischen Strukturen dominierte Familie in ein Tiroler Umfeld um, das stark von Männlichkeit geprägt ist. Wentz‘ Interpretation thematisierte zentrale Fragen rund um das Konzept der „Purheit“, was den Zuschauern eine facettenreiche Betrachtung der Beziehungen zwischen den Charakteren ermöglichte.
Das Spannungsfeld der „Purheit“ im Stück nimmt eine Schlüsselrolle ein. Hier wird „Purheit“ verstanden als eine Art von Reinheit, die oft mit Schönheit und Unschuld verknüpft wird. Dies kann als zweischneidiges Schwert betrachtet werden: Einerseits gelingt es Wentz, das „Verlangen“ der Figuren in den Hintergrund zu drängen. Andererseits wird die Bedeutung des Begriffs bei detaillierter Analyse fragwürdig und zeigt sich als nicht so eindeutig.
Die Figuren und ihre Konflikte
Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Brüder Simon und Peter sowie ihr Halbbruder Eben, die alle Anspruch auf den Familienhof erheben. Ihr Vater Ephraim, der eine ausgesprochen dominante Rolle spielt, wird als Patriarch dargestellt, der seine Söhne in das unsichere Leben in den USA drängt und den Halbbruder Eben immer weiter ins Unglück führt. Diese Dynamik führt zu tiefgreifenden Konflikten, und die Frauengestalten – darunter die ungebundene Mina und die intrigante Agnes – stehen zwischen den machtorientierten Männern und verleihen der Geschichte zusätzliche Komplexität.
Die Darstellung von Agnes durch Julia Posch begeistert: Ihre Fähigkeit, die innere Zerrissenheit der Figur zu vermitteln, macht sie zur zentralen Figur des Konfliktes zwischen Ephraim und Eben. Der spannende Verlauf entwickelt sich zudem zu einem blutrünstigen Finale, das die Zuschauer in den Bann zieht. Diese Wendungen werden durch eine Kombination aus Musik, Klangdesign und stimmungsvollen Videoprojektionen von Amir Kaufmann unterstützt, die das Bühnenbild auf kreative Weise transformieren und das Geschehen in einen traumhaften Kontext setzen.
Die Reaktion des Publikums
Die Reaktionen des Publikums auf die Premiere waren eindeutig: Lautes Bravo belohnte die Darbietungen, insbesondere die Leistung von Julia Posch und Tommy Fischnaller-Wachtler in ihren Hauptrollen. Der dialektal gefärbte Text, der tief in die tirolerische Kultur eintaucht, verstärkt den Eindruck der Authentizität und schafft eine Verbindung zwischen den Darstellern und dem Publikum.
Die Entscheidung von Lisa Wentz, den Begriff „Purheit“ ins Zentrum der Aufführung zu stellen, eröffnet einen spannenden Diskurs über Themen wie Reinheit und deren gesellschaftliche Einflüsse. Diese Wahl, wenn auch wirksam zur Fokussierung der Handlung, führt dazu, dass die Zuschauer oft eine Suche nach dieser idealisierten „Purheit“ inmitten von brutalen Auseinandersetzungen erleben. Nichtsdestotrotz bleibt der Begriff ein Leitfaden, der den Einzelnen durch die komplizierten Beziehungen und Herausforderungen führt, die im ländlichen Leben verankert sind.
Das Stück „Verlangen“ von Lisa Wentz, das seine nächsten Vorstellungen im September und Oktober haben wird, stellt somit nicht nur einen kreativen Beitrag zur Theaterlandschaft dar, sondern regt auch zu tiefgehenden Überlegungen über menschliche Beziehungen und gesellschaftliche Normen an.