Innsbruck sieht sich einem emotionalen Kampf um Anerkennung und Gerechtigkeit gegenüber, der sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt. Betroffene von Misshandlungen in der Kinderbeobachtungsstation Nowak-Vogl, die zwischen 1954 und 1987 Kinder versorgte, kämpfen weiterhin mit den Nachwirkungen psychischer, physischer und sexueller Gewalt. Obwohl die Taten in der Vergangenheit bereits besprochen und teilweise entschädigt wurden, bleibt der Beschluss über zusätzliche Entschädigungen umstritten.
Die Liste Fritz, eine Oppositionspartei, äußert massive Kritik an der aktuellen Handhabung der Entschädigungszahlungen, die Betroffene in die Gerichtssäle verweist. Sie verlangt eine pauschale Mindestentschädigung von 15.000 Euro pro Person, um den Opfern ein Gefühl von Gleichbehandlung zu geben. Klubobmann Markus Sint ist überzeugt, dass jede/r Betroffene, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts, dieselbe Entschädigung erhalten sollte. “Jedes einzelne Opfer hat ein Recht auf Gerechtigkeit und sollte nicht auf rechtliche Schritte verwiesen werden”, äußerte er kürzlich.
Gegenwehr der Landesregierung
Die schwarz-rote Landesregierung steht diesen Forderungen jedoch kritisch gegenüber und verweist auf die bereits geleisteten Entschädigungen. Seit 2010 wurden insgesamt 683 Betroffene finanziell entschädigt, wobei die Beträge, je nach Schwere der Misshandlungen, zwischen 500 und 25.000 Euro variieren. „Das ist bereits ein Zeichen der Verantwortung“, betont Eva Pawlata, die Landesrätin für Soziales. Segregierte Entschädigungen für einzelne Fälle könnten kein geeignetes politisches Signal darstellen, so Pawlata weiter.
Die bisherigen Zahlungen haben insgesamt über 3,3 Millionen Euro erreicht, auch für Therapiekosten werden Mittel bereitgestellt. Dies sorgt jedoch nicht für Beruhigung unter den Betroffenen, die eine pauschale Regelung bevorzugen, um politische Gerechtigkeit herzustellen. Sint kritisiert die Argumentation der Landesregierung, da die erlittenen Traumata nicht einfach mit Geld entschädigt werden können.
Aufarbeitung und Gedenken
Die Diskussion um die Entschädigungen findet vor dem Hintergrund einer noch nicht abgeschlossenen wissenschaftlichen Aufarbeitung statt. Die ehemaligen Misshandlungen in der Nowak-Vogl-Einrichtung, wo Gewalt und menschenunwürdige Experimente stattfanden, waren jahrelang ein Tabuthema. Eine angekündigte Gedenkstätte soll entgegenwirkend dazu dienen, das bisher Unausgesprochene sichtbar zu machen. „Eine Gedenkstätte ermöglicht es den Betroffenen, einen Ort des Gedenkens und der Trauer zu finden“, erklärt Pawlata. Die genauen Pläne sind derzeit noch unklar, sollen aber im nächsten Jahr konkretisiert werden.
Markus Sint sieht den Gedenkort als eine wertvolle Geste an, betont jedoch, dass der Mensch und das, was er erlitten hat, zunächst im Mittelpunkt stehen müssen. „Es ist wichtig, ein Zeichen der Anerkennung zu setzen, aber die Betroffenen sollten vor allem eine finanzielle Entschädigung bekommen“, meint er.
In der Zwischenzeit bleibt Betroffenen, die auf mehr Unterstützung hoffen, der mühsame Weg über die Gerichte, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Der Kampf um Gerechtigkeit geht trotz der Einrichtungen und Entscheidungen der vergangenen Jahre weiter, während die Betroffenen um Anerkennung für ihr erlittenes Leid ringen. Weitere Informationen zu den Entschädigungen sind bei tirol.orf.at nachzulesen.