Im Herzen von Hall in Tirol steht seit zwei Jahrzehnten das BIWAK, ein Zufluchtsort für junge Menschen auf der Flucht. Hier finden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht nur Unterkunft, sondern auch Unterstützung, die weit über das Physische hinausgeht. Die Einrichtung bietet einen sicheren Hafen und eine familiäre Atmosphäre, in der junge Menschen aus verschiedenen Nationen die Möglichkeit haben, sich zu integrieren und selbstständig zu werden.
Im Jahr 2023 suchten fast 5.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Österreich Schutz. Viele von ihnen fanden diese Sicherheit im BIWAK. Die Kinder- und Jugendeinrichtung hat über 200 junge Menschen aus rund 30 Nationen aufgenommen und ihnen Hilfe bei der Integration angeboten. Maria Haider, die pädagogische Leiterin von BIWAK, beschreibt die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge: „Wenn Kinder und Jugendliche allein nach Österreich kommen, stehen sie im luftleeren Raum. Sie wissen nicht, wie es mit dem Asylverfahren weitergeht und was die nächsten Jahre bringen. Sie sind orientierungslos – sie haben hier niemanden.”
Sicherheit nach Fluchterfahrung
Das BIWAK bietet den jungen Flüchtlingen eine Struktur, die ihnen Sicherheit gibt. In der sozialpädagogischen Wohngemeinschaft werden Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren rund um die Uhr von einem engagierten Team betreut. Die Mitarbeitenden kümmern sich nicht nur um die sprachliche und schulische Förderung, sondern unterstützen die Jugendlichen auch bei der Freizeitgestaltung. „Die Pädagoginnen und Pädagogen sind enge Bezugspersonen, die professionell mit den Auswirkungen von Traumata umgehen“, führt Haider fort.
Ein bemerkenswerter Aspekt der Einrichtung sind die so genannten „Trainingswohnungen“. Ziel dieser speziell eingerichteten Wohnungen ist es, den Jugendlichen die Fähigkeiten für ein selbstständiges Leben zu vermitteln. Dazu gehört unter anderem, wie man den Haushalt führt und seine Finanzen im Griff behält. An zwei Standorten im BIWAK und in externen Wohngemeinschaften wird zusätzlich Platz für zehn Jugendliche zur Verfügung gestellt.
Der 21-jährige Wahdat ist ein Beispiel für den Erfolg dieses Konzepts. Er floh im Alter von 13 Jahren aus Afghanistan nach Österreich und lebte zwei Jahre im BIWAK. Heute ist er erfolgreicher Einzelhandelskaufmann in Linz und sagt über das BIWAK: „Es war wie eine zweite Familie für mich.“ Diese Einrichtung hat ihm nicht nur Unterkunft geboten, sondern ihn auch in die Lage versetzt, eigenverantwortlich zu leben. „Hier habe ich gelernt, wie ich in Zukunft selbstständig leben kann.“
Aktuell verzeichnen die Mitarbeitenden positive Entwicklungen: Einige Jugendliche haben kürzlich ihren Pflichtschulabschluss erfolgreich absolviert. „Das ist ein großer Schritt Richtung Selbstständigkeit“, so Maria Haider. Die Unterstützung über das 18. Lebensjahr hinaus ist besonders wichtig, denn viele Jugendlichen fühlen sich, egal in welchem Alter, in dieser neuen Heimat oftmals verloren.
Wichtig zu erwähnen ist, dass außerhalb von Tirol eine ähnliche Einrichtung nur in Wien existiert. Die Herausforderung, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren, bleibt eine bedeutende Aufgabe, der sich sowohl soziale Einrichtungen als auch die Öffentlichkeit gemeinsam stellen müssen. Das BIWAK scheint dabei als leuchtendes Beispiel fungieren zu können, wie man traumatisierten und unsicheren Jugendlichen eine Perspektive geben kann.