Imst

Auf den Spuren der Jenischen: Eine Reise zur Kultur und Identität

Marco Buckovez tourt 2024 mit einem Handkarren durch Tirol, um die Geschichte der oft benachteiligten Jenischen sichtbar zu machen – eine bewegende Reise, die den Diskurs anstoßen soll!

Im September 2024 plant Marco Buckovez eine besondere Reise durch das Tiroler Oberland, um die Geschichte und Kultur der Jenischen, einer oft übersehenen Minderheit, sichtbar zu machen. Diese Initiative wird durch die Zusammenarbeit zwischen der Initiative Minderheiten Tirol und dem Verein Jenische in Österreich realisiert. Der Projekttitel „Kneisesch? Ein Karren voller Geschichten“ lässt schon erahnen, dass diese Reise nicht nur physisch, sondern auch kulturell aufgeladen ist. Buckovez, ausgestattet mit einem Handkarren, möchte den Erfahrungen und dem Lebensstil der Jenischen auf den Grund gehen.

Die Jenischen sind eine sozial-kulturelle Gruppe, die traditionell als fahrende Händler unterwegs war und dabei ihre handwerklichen Fähigkeiten präsentierte. Historisch gesehen wurden sie oft diskriminiert, und ihre Mobilität wurde durch Zwang zur Sesshaftigkeit eingedämmt. Die dunkle Zeit des Nationalsozialismus führte zu besonders heftiger Verfolgung und Unterdrückung. Buckovez bringt diese tragischen Kapitel in Erinnerung und weist darauf hin, wie wichtig die Wiederentdeckung der kulturellen Identität für die Jenischen ist. „Kultur und Sprache sind identitätsstiftend, und Identität schafft Wurzeln. Will man beispielsweise einen Baum nachhaltig beschädigen, muss man die Wurzeln kappen. Ein Schicksal, das für uns Jenische beinahe bittere Realität geworden wäre“, erklärt er.

Reiseverlauf und symbolische Aktionen

Die Reise wird von Innsbruck über Landeck/Zams bis zurück nach Nassereith führen. Buckovez plant, diese Wegstrecke nicht nur als physische Herausforderung zu sehen, sondern vor allem als Akt des Gedenkens an die Jenische. Während seines Marsches wird eine speziell angefertigte zwei-geteilte Maske zum Einsatz kommen. Diese Maske hat die Aufgabe, eingespielte Klischees über die Jenischen zu hinterfragen und mit der Realität zu konfrontieren. An unterschiedlichen Stationen wird sie als Gesprächsanstoß dienen, um die Lebensgeschichten der Jenischen lebendig zu machen.

Kurze Werbeeinblendung

Besonders spannend ist, dass die Lebensgeschichten, die Buckovez erzählen möchte, auf historischen Daten basieren und somit tiefe Einblicke in die Vergangenheit und Gegenwart der Jenischen bieten sollen. Dies ist besonders wichtig, um festzustellen, dass die Jenischen fest in die lokale Kultur verwoben sind, auch wenn sie oft im Schatten der Geschichte standen. Gerhard Spielmann, der Obmann des Fasnachtmuseums in Nassereith, bemerkt, dass die Jenischen eine bedeutende Rolle in der Fasnachtstradition spielen, was zeigt, dass sie einst ein Teil der Gemeinschaft waren.

Öffentliche Aufmerksamkeit und politische Dimension

Die Initiative geht über bloße Geschichtserzählung hinaus; sie zielt auch darauf ab, die politische Anerkennung der Jenischen als Volksgruppe voranzutreiben. Im Regierungsübereinkommen der aktuellen österreichischen Bundesregierung wird erwähnt, dass eine Anerkennung der Jenischen geprüft werden soll. Der Verein Jenische in Österreich hat bereits Gespräche mit Beamten geführt, die bisher jedoch ohne konkrete Erfolge geblieben sind. Daher ist es entscheidend, die Sichtbarkeit dieser Thematik zu erhöhen und öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Christian Härting, Bürgermeister von Telfs, betont die Relevanz dieses Projekts: „Den Menschen die Geschichte, Kultur und die Lebensrealitäten der Jenischen im Dialog nahezubringen, betrachte ich auch als ein Zeichen des Respekts und einen Versuch der Wiedergutmachung.“ Dies verdeutlicht das Bestreben, die Jenischen nicht nur als historische Fußnote, sondern als lebendige und bedeutende Gemeinschaft wahrzunehmen.

Marco Buckovez wird während seiner Reise mehrere Vorträge halten, um die Geschichten und die Kultur der Jenischen aktiv zu teilen. Diese Veranstaltungen finden in Telfs, Haiming, Zams, Tarrenz sowie Nassereith statt. Der erste Vortrag ist für den 4. September 2024 in der Villa Schindler in Telfs geplant, gefolgt von Terminen in Haiming, Zams, Tarrenz und zum Abschluss in Nassereith, wo die Übergabe der Maske an das Fasnachtmuseum erfolgen wird.

Identitätsbewusstsein und Kulturpflege

Die Reise von Marco Buckovez könnte als wichtiger Schritt zur Wiederbelebung und zum Schutz des kulturellen Erbes der Jenischen angesehen werden. Durch das bewusste Auseinandersetzen mit ihrer Geschichte und dem Teilen ihrer Geschichten trägt das Projekt dazu bei, das Verständnis und die Wertschätzung für diese oft marginalisierte Gruppe zu fördern. Der Handkarren, der sowohl als Transportmittel als auch als Symbol dient, steht für eine bewegte Vergangenheit, die nicht in Vergessenheit geraten sollte.

Kultureller Kontext und Geschichte der Jenischen in Österreich

Die Jenischen stellen eine ethnologische Gruppe dar, die in Österreich eine lange und komplexe Geschichte hat. Ihre Wurzeln reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück, als sie begannen, sich in kleinen Gruppen zu organisieren und als Reisende durch das Land zu ziehen. Diese Lebensweise erlaubte es ihnen, ihre handwerklichen Fähigkeiten in verschiedenen Regionen einzubringen, was jedoch mit einem hohen Maß an Diskriminierung und sozialen Vorurteilen verbunden war.

Obwohl die Jenischen traditionell als Kesselflicker, Musiker oder Anbieter anderer handwerklicher Dienstleistungen tätig waren, führten Vorurteile und gesellschaftliche Stigmatisierung zu einer marginalisierten Stellung in der Gesellschaft. Die gesellschaftlichen Vorurteile haben dazu geführt, dass viele Jenische gezwungen waren, in die Sesshaftigkeit zu wechseln. Diese erzwungene Sesshaftigkeit führte oft zu einem Verlust ihrer kulturellen Identität und Traditionen.

Wichtige Statistiken und aktuelle Entwicklungen

Eine Umfrage des Österreichischen Integrationsfonds zeigt, dass über die Hälfte der Befragten eine unzureichende Kenntnis über die Jenischen und deren kulturelles Erbe hat. Nur 23% der Befragten geben an, dass die Jenischen ihrer Meinung nach gleichwertig behandelt werden, was auf eine anhaltende Diskriminierung in der Gesellschaft hinweist. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit von Bildungsinitiativen und Projekten wie „Kneisesch?“, die darauf abzielen, das Bewusstsein und Verständnis für die Jenische Kultur zu erhöhen.

Zusätzlich hat die offizielle Anerkennung der Jenischen als Volksgruppe in Österreich eine lange Geschichte von Forderungen und Diskussionen. Trotz der wiederholten Gespräche zwischen dem Verein Jenische in Österreich und Regierungsbeamten blieb ein endgültiger Beschluss bisher aus. Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit für Projekte, die die Sichtbarkeit und das kulturelle Erbe der Jenischen fördern und gleichzeitig eine breitere Diskussion über ihre Rechte und ihren Platz in der österreichischen Gesellschaft anstoßen.

Abschließend zeigt die aktuelle Lage sowohl die Herausforderungen als auch die Chancen auf, die bestehen, um der Jenischen Gemeinschaft zu nachhaltiger Anerkennung und Respekt zu verhelfen. Solche Projekte sind essenziell, um die historische Ungerechtigkeit zu adressieren und die gesellschaftliche Inklusion zu fördern.

Quelle/Referenz
meinbezirk.at

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"