In diesem Jahr präsentiert sich der steirische herbst mit einem faszinierenden und zugleich provokativen Konzept. Das pulsierende Herzstück des Festivals ist die Ausstellung in der Neuen Galerie, die den Titel „horror patriae“ trägt. Dieser Begriff ist eine sprachliche Verbindung von „amor patriae“, was die Liebe zum Vaterland bedeutet, und „horror vacui“, das den Schrecken der Leere beschreibt. In der Ausstellung werden grundsätzliche Fragen zur Identität des Vaterlandes aufgeworfen: Wer definiert, was ein Vaterland ist? Wie wird es geformt? Und welche Bedeutungen verbirgt sich dahinter?
Die Gruppenausstellung stellt eine beeindruckende Kombination aus Werken zeitgenössischer Künstler und bestehender Sammlungen dar. Hier finden sich lokale Mythen, die in einem fiktiven Nationalmuseum aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Besonders hervorzuheben sind 15 neue Werke, darunter ein Beitrag des Künstlers Pablo Bronstein. Seine Arbeiten beleuchten die Blütezeit des Historismus in Graz, während Thomas Hörl eine Ahnengalerie mit Figuren aus der alpenländischen Volkskultur präsentiert und Helene Thümmel eine Karte Europas mit nationalen Begriffen verziert hat.
Prolog mit einer politischen Botschaft
Ein spannender Auftakt zum Festival wird bereits mit der Installation von Yoshinori Niwa im öffentlichen Raum gegeben. Niwa hat ein Wahlplakat geschaffen, das sich im Verlauf der Ausstellungszeit zusehends auflöst. Diese künstlerische Aktion dient als kritischer Kommentar zu den flüchtigen Wahlversprechen, die oft in der politischen Rhetorik vorkommen. Vom 14. bis 29. September wird das Plakat Schritt für Schritt abgetragen, bis nur noch die schwachen Konturen des fiktiven Politikers sichtbar sind.
Die offizielle Eröffnung des Festivals hat einiges zu bieten: Natalia Pschenitschnikova wird mit ihrer musikalischen Performance „A.E.I.O.U.“ das Publikum in ihren Bann ziehen. Dabei geht sie auf spielerische Art und Weise mit dem Habsburger-Motto um, welches in der Musikgeschichte eine signifikante Rolle spielt. Den krönenden Abschluss bildet das Stück „The Phantom of the Operetta“ vom Kollektiv La Fleur in der Helmut List-Halle. Hier wird das Leben des bekannten Operettenkomponisten Emmerich Kálmán untersucht und gleichzeitig europäische Seh- und Hörgewohnheiten hinterfragt.
Ein festliches Programm voller Kunst und Musik
Ein besonders innovatives Konzept wird von Ari Benjamin Meyers in einer Tennishalle präsentiert. Seine Darbietung „The Nation of Sleep“ bietet 50 Betten, in denen einige Gäste sich hinlegen können, während Kinder für sie singen, um ihnen den Schlaf zu schenken. Der Text, der für diese bemerkenswerte Rollenumkehr verwendet wird, stammt vom britischen Autor Tom McCarthy.
Ein weiteres spannendes Projekt wird von Gerald Straub initiiert, der in Studenzen und anderen Orten einen Straßenstand betreibt, um seine „Corridos Estiria“ zum Leben zu erwecken. Diese Form von Liedern, die ursprünglich Banditen und Helden aus Mexiko besingen, wird auch am Grazer Hauptplatz präsentiert und zieht das Interesse der Passanten an.
Der steirische herbst hat auch in diesem Jahr seine Fixpunkte, darunter das musikprotokoll, das vom 3. bis 6. Oktober stattfinden wird. Zudem erwartet die Besucher das Literaturfestival „Out of Joint“, das unter dem faszinierenden Thema „Die Welt von gestern/Die Welt von morgen“ steht. Das Partnerprogramm wird von mehreren kulturellen Institutionen gestaltet, darunter Theater im Bahnhof, Camera Austria, Grazer Kunstverein, Haus der Architektur, Kunsthaus und Schaumbad.
Für diejenigen, die sich für kulturelle Ereignisse interessieren, ist der steirische herbst eine spannende Möglichkeit, intensiv mit Kunst und gesellschaftlichen Fragestellungen in Berührung zu kommen. In diesem Jahr findet das Festival vom 19. September bis zum 13. Oktober 2024 statt. Weitere Informationen sind auf der offiziellen Website www.steirischerherbst.at erhältlich.