Nach einer umfassenden Sanierung erstrahlt der denkmalgeschützte Biedermeiersaal in neuem Glanz, bereit, die freie Theaterszene in Graz zu bereichern. Die Betriebsgenehmigung ist inzwischen erteilt, was den Weg für die anstehende Eröffnung am 29. September frei macht. Das Theater Quadrat wird die Premiere mit der Produktion „Ein Körper: Mein Fließen“ gestalten, die eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Geschlechteridentität und Klassenzugehörigkeit bietet, indem sie sowohl aktuelle als auch historische literarische Texte einbezieht.
Im Verlauf des Oktobers wird das Programm mit einer Musiktheaterproduktion der sozio-kulturellen Initiative aXe fortgesetzt. Fotoabzüge mit bedeutendem historischen Charakter werden nicht fehlen, wenn das Theater Quadrat erneut eine Adaption von Franz Kafkas Erzählung „In der Strafkolonie“ zeigt. Abgerundet wird die Herbstsaison mit einer Tanzperformance, die von Fredrik Jan Hofmann, einem bekannten Schauspieler, inszeniert wurde und sich mit dem Thema Männlichkeit beschäftigt.
Wichtige Schritte für die Zukunft
Für die kommenden Spielzeiten haben die Verantwortlichen des Theaterhauses einen „Open Call“ gestartet, um Künstlerinnen und Künstler sowie Ensembles zu ermutigen, eigene Projekte einzureichen. Die Intention dahinter ist klar: jährlich sollen mindestens zwei solcher Kooperationsprojekte auf die Bühne gebracht werden, um eine lebendige und vielfältige Kulturszene zu fördern.
Das historische Gebäude, entworfen vom Architekten Carl Aichinger, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Von 1859 bis 1914 diente es dem Grazer Gesellenverein als kultureller Treffpunkt. Berühmte Persönlichkeiten wie der legendäre Schauspieler Alexander Girardi traten hier auf, bevor sie in größeren Städten Bekanntheit erlangten. Nach dem Ersten Weltkrieg veränderte sich die Nutzung des Saals und er wurde für über einhundert Jahre als Tanzschule verwendet.
Nachdem die Tanzschule geschlossen hatte, gab es einen kurzen Zeitraum, in dem das Theater wiederbelebt wurde. Eine einmalige Produktion eines Grazer Kollektivs belebte die Bühne erneut, doch danach stand das bedeutende Kulturdenkmal vier Jahre lang leer. Der Durchbruch kam, als Alexander Kropsch von Theater Quadrat und Peter Ulrich von aXe im Herbst einen Plan zur nachhaltigen Revitalisierung des Theaters entwickelten.
Ein neuer Anfang für das Theater
Die ersten zwei Jahre waren eine Herausforderung, da die beiden Ensembles sich mit Einzelgenehmigungen und alternativen Aufführungsorten begnügen mussten. Der Frühling dieses Jahres brachte jedoch Lichtblicke, als es gelang, die notwendigen Genehmigungen, langfristigen Mietverträge und die Finanzierung zu sichern. Damit war der Grundstein für einen regulären Theaterbetrieb gelegt.
In den letzten Wochen hat das Team des Theaterhauses hart an der Renovierung gearbeitet. Laut Kropsch stehen zwar noch einige technische Anpassungen an, dennoch sind alle Beteiligten optimistisch. „Wir wissen, dass wir noch viel vor uns haben, aber die Gewissheit, im Herbst mit dem Spielbetrieb beginnen zu können, motiviert uns sehr,“ äußerte er sich zuversichtlich. Mit einer Kapazität für bis zu 80 Zuschauer wird das neue Theaterhaus bald ein Ort lebendiger Theaterprojekte sein.
Geschichtlicher Kontext des Theaterhauses
Das Theaterhaus ist ein faszinierendes Beispiel für die kulturelle Entwicklung in Graz und spiegelt die wechselhafte Geschichte der darstellenden Kunst in der Region wider. Ursprünglich 1859 als Spielstätte für den Grazer Gesellenverein eröffnet, hatte das Theater eine zentrale Rolle in der lokalen Kunstszene und bot Künstlern wie Alexander Girardi eine Plattform. Girardi, ein prominenter Schauspieler seiner Zeit, erlangte große Anerkennung und trug zur Bekanntheit des Theaters bei, bevor er nach Wien ging, um seine Karriere fortzusetzen.
Die Schließung des Theaters im Jahr 1914 und die darauffolgende Nutzung als Tanzschule zeigen die wachsenden gesellschaftlichen Veränderungen des frühen 20. Jahrhunderts. Während des Ersten Weltkriegs und der Nachkriegszeit wurden viele Theater und Kunstinstitutionen in Europa vor Herausforderungen wie Finanzierung und Publikumsschwund gestellt. Erst die Initiative von Kropsch und Ulrich zur Wiederbelebung des Theaters im Jahr 2018 hat es ermöglicht, die historische Bedeutung des Standorts neu zu beleben und mit modernen Themen zu verknüpfen.
Kulturelle Bedeutung und Einfluss des Theaters
Das Theater Quadrat hat sich als wichtige kulturelle Institution etabliert, die nicht nur lokale Künstler unterstützt, sondern auch gesellschaftliche Themen aufgreift, die für diverse Zielgruppen relevant sind. Mit der ersten Produktion „Ein Körper : Mein Fließen“ wird eine Brücke zwischen literarischen Traditionen und modernen Fragestellungen geschlagen, insbesondere in Bezug auf Geschlechteridentität und Klassenzugehörigkeit. Dies spiegelt einen Trend wider, den viele Theater- und Kunstinstitutionen zunehmend verfolgen: die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen.
Zusätzlich zu den geplanten Produktionen fördert das Theater auch die Zusammenarbeit mit freischaffenden Künstlern durch den „Open Call“. Dies bietet eine Plattform für kreative Innovation und stärkt die kulturelle Vielfalt in Graz. Theater als Kunstform hat die Fähigkeit, sowohl unterhaltend als auch bildend zu wirken und letztendlich die gesellschaftliche Diskussion zu fördern.
Aktuelle Entwicklungen im Theaterhaus
Die erfolgreiche Renovierung des Biedermeiersaals ist das Ergebnis intensiver Arbeit und Zusammenarbeit verschiedener Akteure, die sich für den Erhalt und die Wiederbelebung dieses kulturellen Erbes einsetzen. Diese Renovierung ist nicht nur eine physische Wiederherstellung, sondern auch eine symbolische Rückkehr des Theaters im städtebaulichen Kontext von Graz.
Die Herausforderungen, die das Theater Quadrat in den letzten Jahren bewältigen musste, darunter Finanzierung und Genehmigungen, sind nicht unüblich im Bereich der Kunst und Kultur. Viele Theater in Europa stehen vor ähnlichen Fragen, wenn es um die Sicherung ihrer Zukunft in einem sich ständig verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Klima geht. Durch die Wiederbelebung und die Fokussierung auf gegenwärtige Themen positioniert sich das Theater Quadrat jedoch als ein Pionier in der Kulturszene, bereit, auf die Bedürfnisse und Herausforderungen der Gemeinschaft zu reagieren.
Die Entwicklung des Theaters im heutigen Kontext zeigt, dass es nicht nur ein Ort der Aufführung ist, sondern auch ein Raum für Dialog und kreative Auseinandersetzung mit den Fragen unserer Zeit.