Wohlwollend und nachdenklich reagierte die in Graz lebende Schriftstellerin Nava Ebrahimi auf den kürzlich veröffentlichten Brief von Papst Franziskus zur Bedeutung der Literatur. In ihrem Artikel für die „Kleine Zeitung“ äußerte Ebrahimi, dass der Brief zahlreiche universelle und wahre Erkenntnisse enthalte. Ihre Einschätzung zeigt, wie tief die Worte des Papstes in der literarischen Gemeinschaft Anklang finden können, insbesondere in Zeiten, in denen die Verbindung zwischen Glaube und Kunst oft hinterfragt wird.
Literatur und Glaube als Weggefährten
Ebrahimi hebt hervor, dass der Papst in seinem Schreiben nicht nur die Beziehung zwischen Literatur und Glaube thematisiert, sondern auch das Geheimnis des „fleischgewordenen Wortes“. Dies ist laut Papst Franziskus nicht die Abstraktion einer Menschheit, sondern ein Aufruf, sich mit den Schmerzen, Sehnsüchten und Hoffnungen des Einzelnen auseinanderzusetzen. In Anbetracht dieser Perspektive wird deutlich, dass sowohl Literatur als auch Glaube als Schlüssel zu einer tieferen Empathie und einem Verständnis der menschlichen Erfahrungen dienen können.
Eine besondere Begegnung in Graz
In einem bewegenden Moment während ihrer Rede an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Graz hatte Ebrahimi die Möglichkeit, den Kurienerzbischof Giovanni Cesare Pagazzi kennenzulernen. Der geistliche Würdenträger, der im Dikasterium für Kultur und Bildung tätig ist, zeigte großes Interesse an ihrem Debütroman „Sechzehn Wörter“. Diese Begebenheit ließ Ebrahimi kurz innehalten. Sie beschreibt ihre Unsicherheit, als sie überlegte, was ein Monsignore mit ihrer Geschichte einer Deutsch-Iranerin anfangen könnte, die mit Identität und spirituellen Herausforderungen konfrontiert ist.
Die Rückkehr ihrer Gedanken
Die freundliche Erinnerung an Erzbischof Pagazzi und die Idee, dass er möglicherweise ihr Buch liest, hat Ebrahimi versöhnt. Sie schildert, dass der Gedanke, der Monsignore könnte die Welt durch die Augen ihrer Protagonistin Mona sehen, eine positive Sicht auf die Dinge ermöglicht. Diese Vorstellung zeigt, dass auch Menschen aus unterschiedlichen Weltanschauungen durch die Literatur eine Verbindung finden können.
Die Oase des Gedruckten
Der Brief von Papst Franziskus, der unter dem Titel „Über die Bedeutung der Literatur in der Bildung“ veröffentlicht wurde, ist eine Liebeserklärung an das gedruckte Wort. Der Papst argumentiert, dass ein gutes Buch eine willkommene Oase in der Flut an Informationen aus sozialen Medien und digitalen Inhalten darstellt. Die Fähigkeit der Literatur, die Vorstellungskraft des Lesers zu erweitern und ihm zu ermöglichen, durch die Augen anderer zu sehen, ist von zentraler Bedeutung. Diese Dynamik trägt dazu bei, das Verständnis für die Menschlichkeit zu vertiefen.
Ein Appell zur Rückbesinnung
Innerhalb seines ausführlichen 44 Punkte umfassenden Schreibens kritisiert der Papst auch die Vernachlässigung der Literatur in Priesterseminaren. Dies führt seiner Meinung nach zu einer geistigen und intellektuellen Verarmung, die zukünftige Priester daran hindert, die menschliche Kultur in ihrer vollen Tiefe zu erfassen. Der Mangel an literarischer Auseinandersetzung beraubt sie der Möglichkeit, die Herzen der Menschen zu erreichen und die eigenen spirituellen Bedürfnisse zu erfüllen.
Die Bedeutung der Literatur im modernen Zeitalter
Die Reflexionen von Papst Franziskus und die Reaktionen von Schriftstellern wie Ebrahimi verdeutlichen die anhaltende Relevanz der Literatur in einem sich schnell verändernden sozialen und kulturellen Klima. In einer Zeit, in der digitale Medien dominieren, bleibt die gedruckte Literatur ein Ort der Einkehr und des tiefen Verständnisses. Die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen und zu empfangen, bietet nicht nur einen Einblick in die individuelle Seele, sondern fördert auch das Gemeinschaftsgefühl und das Miteinander in einer vielschichtigen Gesellschaft.