In den letzten Jahren ist ein bemerkenswerter Aufschwung rechter Parteien in Europa zu beobachten. Was zunächst als eine vorübergehende „Versuchung“ bezeichnet wurde, zeigt Anzeichen dafür, sich zu einer ernsthaften Massenbewegung zu entwickeln. Kritische Denker, inspiriert von Karl Popper, mahnen zur sorgfältigen Analyse dieser Entwicklungen, da dies in der aktuellen politischen Diskussion häufig zu kurz kommt.
Die Begriffe „links“ und „rechts“ haben ihren Ursprung in der Französischen Nationalversammlung von 1789. Während „links“ für progressive Kräfte steht, die Veränderung und Erneuerung anstreben, kämpft man auf der „rechten“ Seite eher für Bewahrung und den Erhalt traditioneller Werte. Ein differenzierter Blick auf die Forderungen der verschiedenen politischen Lager ist notwendig, denn nicht alles, was von den Rechten gefordert wird, ist per se negativ.
Kritische Forderungen der Neuen Rechten
Es gibt in der Tat Forderungen, die von der Neuen Rechten aufgestellt werden und es wert sind, gehört zu werden. Es ist möglich, dass einige dieser Anliegen vernünftig sind. Doch die radikalen Ansichten, die oft aus dem 19. Jahrhundert stammen und gegen die Ideale der linken Revolution gerichtet waren, sind potenziell gefährlich. Besonders problematisch sind die Ideologien, die aus Rassenlehre, Eugenik und Nationalismus hervorgegangen sind, die in ihrer extremen Form zu den Schrecken der Weltkriege und des Holocaust führten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Ideen in den Untergrund gedrängt, doch sie haben in den letzten 30 Jahren einen gefährlichen Aufschwung erlebt. In Sachsen beispielsweise hat die politische Akademie von Götz Kubitschek dazu beigetragen, diese Ideologien zu revitalisieren. Diese Entwicklungen sind nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern auch in Ländern wie Frankreich, Holland, England, Spanien und Italien, wo ähnliche politische Strömungen im Gange sind.
Die Verbreitung von Informationen und Desinformationen im Internet spielt eine entscheidende Rolle in diesem Prozess. Soziale Medien ermöglichen es jedem, jederzeit sprunghafte Lügen und aggressive Rhetorik zu verbreiten, was den Diktaturen der 1920er Jahre verwehrt blieb. Der aktuelle Zustand der liberalen Demokratien wird als schlafend und wehrlos beschrieben, was die Notwendigkeit unterstreicht, die politischen Systeme zu stärken, um gefährlichen Positionen der radikalen Rechten entgegenzutreten.
Die Radikalisierung respektive die Angriffe auf Einwanderer und Minderheiten sind Kennzeichen einer Bewegung, die nicht mehr ignoriert werden kann. Politiker anderer Parteien werden scharf angegriffen und mit Begriffen wie „Volksverräter“ beschimpft. Die Forderungen, bis zu 30 % der Bevölkerung als kulturell fremd und mit Gewalt aus dem Land zu entfernen, sind alarmierend und erinnern an düstere Kapitel der deutschen Geschichte. Die Frage ist: Wo stehen wir nun, 80 Jahre nach dem Ende der liberalen Demokratien?
Die Reaktion der politischen Landschaft
Es ist evident, dass die Neue Rechte die Regierungen der europäischen Länder dazu zwingt, ihre demokratischen Prinzipien zu überdenken und zu festigen. Die CDU in Deutschland hat bereits angekündigt, ab März 2024 ein verpflichtendes Sozialjahr in ihr Programm aufzunehmen, was als Schritt in Richtung einer stärkeren Integration gewertet werden kann. Auch die Regeln zur Einwanderung werden strenger gefasst, während die bestehenden Flüchtlingskonventionen kritisch hinterfragt werden müssen.
Die Integrationsarbeit muss verstärkt werden, und gerade in den Bereichen, in denen Freiwillige bereitstehen, gibt es noch viel ungenutztes Potenzial. Wenn die hohen Zahlen an Flüchtlingen nicht angemessen behandelt werden, drohen ernsthafte gesellschaftliche Konflikte. Die Realität ist, dass Europa nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen kann, ohne dass ernsthafte Krisen auftreten.
In dieser Diskussion ist zu beachten, dass die meisten Anhänger rechter Parteien keine Extremisten sind. Sie übernehmen jedoch rudimentäre Ansichten und schleusen diese in die demokratische Debatte ein. Es bleibt die dringende Aufgabe, diese Ideologien kritisch zu hinterfragen und zu versuchen, einen Dialog zu finden, der die vernünftigen Elemente in den politischen Auffassungen der Rechten berücksichtigt, ohne die radikalen Forderungen zu unterstützen.
Wir stehen derzeit vor der Herausforderung, die liberale Demokratie aktiv zu verteidigen und zu stärken. Die Frage bleibt, ob wir diese Gelegenheit in fünf Jahren noch haben werden oder ob die alte und neue Rechte die politische Landschaft an sich reißen wird. Der Aufruf zur kritischen Auseinandersetzung ist jetzt wichtiger denn je.
Anton Grabner-Haider, Universitätsprofessor in Graz, hat sich seit 30 Jahren intensiv mit interkultureller Philosophie beschäftigt.