Der Literaturnobelpreisträger Peter Handke erhielt am 15. November das „Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern“. In einem Interview mit der Kleinen Zeitung sprach er über seine Verbindung zu Graz und schloss dabei eine kritische Bemerkung über die gegenwärtige Literaturszene ein. Handke warf der heutigen Generation von Autoren vor, sich zu sehr in der Selbstdarstellung zu verlieren.
Diese Äußerungen haben eine Diskussion über die Vernunft seiner Kritik ausgelöst. Drei Persönlichkeiten, die aktiv in der Grazer Literaturszene tätig sind, haben sich dazu geäußert.
Graz als Literaturstadt
Die erste Stimme gehört Annette Knoch, die den Droschl-Verlag leitet. Ihr Verlag hat in diesem Jahr mehrere Werke von Grazer Autoren veröffentlicht, darunter Helwig Brunner und Nava Ebrahimi. Knoch weist Handkes Vorwurf der Egozentrik zurück und hebt hervor, dass die veröffentlichten Werke einen wichtigen Beitrag zur Literatur leisten. „Es ist schlicht falsch, ihre Bücher auf ein ‚Sich-Selbst-Darstellen‘ zu reduzieren“, betont sie. Sie sieht Graz nach wie vor als lebendige literarische Stadt, während Handke sich fragt, wen er wahrnimmt und welche Informationen ihm zugänglich sind.
Klaus Kastberger, der Leiter des Literaturhauses Graz, unterstützt Knoch und glaubt, dass Handkes Kritik nicht gerechtfertigt ist. Er verweist auf die Erfolge von Grazer Autoren, wie das Erringen des Bachmannpreises durch Ebrahimi und des Büchner-Preises durch Clemens J. Setz. Kastberger beschreibt Graz als eine der lebhaftesten Literaturstädte im deutschsprachigen Raum und hebt die hohe Besucherzahl des Literaturhauses hervor. „Mit mehr als 10.000 Besucherinnen und Besuchern erwarten wir auch heuer wieder einen Rekord“, erklärt er.
Ein positives Licht auf die Kritik werfen
Andreas Unterweger, Herausgeber der Literaturzeitschrift „manuskripte“, äußert sich ebenfalls zu Handkes Kommentaren. Er ist überrascht über die negative Wahrnehmung, die Handke äußerte, und sieht in der Kritik auch einen Funken der Inspiration. „Widerspruch kann jenen Funken des Gegensatzes bedeuten, an dem sich die Poesie entzündet“, sagt Unterweger. Er betont, dass die Grazer Literaturszene viele talentierte Autoren hervorgebracht hat, die bestrebt sind, nicht nur zu geben, sondern auch in ihrer Kunst zu wachsen.
Die Diskussion rund um Handkes Äußerungen zeigt, dass die Grazer Literaturszene nach wie vor dynamisch und vielfältig ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Gespräche entwickeln und welche neuen Perspektiven sie hervorbringen werden.
Eine tiefergehende Diskussion über die Grazer Literaturszene und ihre Entwicklungen findet sich in weiteren Berichten auf www.kleinezeitung.at.