In der malerischen Kulisse von Salzburg wird am 5. September ein besonderer Opernabend Premiere feiern: zwei bewegende Monooper – „The Man with Night Sweats“ und „Comfort Starving“ – die queer-sein in den Mittelpunkt rücken. Diese Werke stammen vom britischen Komponisten Iain Bell und thematisieren schmerzhafte, lebensnahe Erfahrungen, die sowohl in der LGBTQ+-Community als auch in der Gesellschaft insgesamt von Bedeutung sind. Die Aufführung findet in der beeindruckenden Kollegienkirche statt, einem historischem Ort, der diesen Anlässen eine besondere Dimension verleiht.
„The Man with Night Sweats“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der an Aids leidet, während sein einziger Freund den verlustreichen Verlauf der Krankheit dokumentiert. In einer weiteren packenden Erzählung von „Comfort Starving“ wird das Schicksal eines jungen Schülers beleuchtet, der mit homophobem Mobbing konfrontiert wird und dadurch in eine Essstörung hineinrutscht. Konstantin Paul, der Regisseur der Inszenierung, merkt im Gespräch an, dass solche Themen auf der Opernbühne selten behandelt werden – und gerade deshalb besonders relevant sind.
Die Wurzeln des Themas
Die Aids-Krise der 1980er Jahre wird von Paul als ein erstickendes „Urtrauma“ beschrieben, das nach wie vor in den Adern der queeren Community pulsiert. Auch wenn das Thema heute eine andere Facette hat und die medizinische Lage sich verbessert hat, bleibt der Schatten und die Angst vor der Krankheit bestehen. „Es war für mich Liebe auf den ersten Blick bei den beiden Werken“, sagt Paul und erklärt, dass die Musik von Iain Bell zusammen mit der Lyrik des Gedichtzyklus von Thom Gunn eine zutiefst bewegende Geschichte erzählt, die sowohl in die Vergangenheit blickt als auch erklärt, warum das Trauma noch heute so präsent ist.
„Comfort Starving“ hingegen thematisiert die Tabuisierung von Essstörungen sowie die noch immer verbreitete Homophobie in Schulen. Paul betont, dass die Weitergabe solcher sensibler und oft schmerzhaft erlebter Themen eine grundlegende Aufgabe der Kunst sei. Es sei wichtig, eine Bühne zu schaffen, auf der diese Debatten stattfinden können, und die Kluft zwischen Kunst und Gemeinschaft zu überbrücken.
Ein neuer Ansatz der Oper
Die Entscheidung, diese Inszenierung in den frei bespielbaren Rahmen einer Kirche zu stellen, gibt dem Abend eine besonders tiefgründige Dimension. Gordon Safari, der für die musikalische Leitung verantwortlich zeichnet, hebt hervor, dass es etwas Einzigartiges ist, einen sakralen Raum für solch brisante Themen zu nutzen. „Das bringt einen ungeheuren Wert für diese Stadt“, erklärt er, wo die Kombination aus katholischem Erbe und modernen Themen verwirrende yet faszinierende Konnotationen birgt.
„Die Oper hat oft den Stempel eines verstaubten, altmodischen Formats“, reflektiert Paul. Diese Aufführung, die sowohl szenische Lieder als auch Opernelemente beinhaltet, geht einen neuen Weg. Es ist eine Einladung, das Publikum mit aktuellen, emotionalen Themen zu konfrontieren und Vorurteile abzubauen. Die Kammeroper hofft, queere Themen in einer Weise zu präsentieren, die über bloße Informationen hinausgeht. Stattdessen soll eine emotionale Verbindung hergestellt werden, die sowohl berührt als auch zum Nachdenken anregt.
„Das Salzburger Publikum wird häufig unterschätzt“, sinniert der Regisseur. „Ich glaube, sie sind offen für neue Ansätze und kreative Experimente. Selbst wenn nicht alles funktioniert, wird das Publikum durch die Vielfalt und die neuen Perspektiven bereichert.“