Wissenschaftler am Wiener St. Anna Kinderspital haben einen neuen, seltenen Erkrankungstyp entdeckt, der eine ernsthafte Bedrohung für Kinder darstellt. Diese Erkrankung ist besonders gefährlich, da den betroffenen Kindern sämtliche Lymphknoten fehlen, einschließlich der Mandeln, und die Milz nicht richtig funktioniert. Dieser genetische Defekt kann dazu führen, dass die Patienten anfällig für gravierende Infektionen sind. Informationen dazu wurden am Freitag veröffentlicht und zeigen, wie wichtig diese Entdeckung für die medizinische Gemeinschaft ist.
Sekundäre lymphatische Organe spielen eine entscheidende Rolle für unser Immunsystem. In diesen speziellen Bereichen des Körpers vermehren und entwickeln sich Immunzellen, die notwendig sind, um auf verschiedene Krankheitserreger, wie Viren und Bakterien, zu reagieren. Bei den Kindern, die Teil dieser Untersuchung waren, zeigte sich, dass die von den Forschenden identifizierten genetischen Veränderungen dazu führten, dass diese Organe entweder gar nicht gebildet werden oder ihre Funktionen erheblich eingeschränkt sind.
Die Ungewöhnlichkeit der Krankheit
Die Studie, die in Zusammenarbeit mit Forschungszentren in Istanbul und Ankara durchgeführt wurde, erschien kürzlich in dem renommierten Fachblatt "Science Immunology". Laut Angaben des St. Anna Kinderspitals ist die neu identifizierte Erkrankung in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Erstautor der Studie, Bernhard Ransmayr, erklärte, dass im DNA-Profil der betroffenen Kinder Veränderungen im LTβR-Gen festgestellt wurden. Dieses Gen ist ausschlaggebend für den Bau des Lymphotoxin-Beta-Rezeptors, der eine entscheidende Rolle im Immunsystem spielt. Die Konsequenz dieser genetischen Veränderung ist, dass die Patienten nicht in der Lage sind, genügend schützende Antikörper zu bilden.
Ein bemerkenswerter Aspekt der Entdeckung ist, dass die Immunzellen selbst nicht direkt von dem genetischen Defekt betroffen sind. Sie funktionieren zwar weiterhin, sind jedoch auf die Unterstützung der sekundären lymphatischen Organe angewiesen, die in diesem Fall nicht richtig ausgebildet sind. Ransmayr und sein Team stellten in Laborversuchen fest, dass es möglich ist, eine künstliche Umgebung zu schaffen, die die Struktur und Funktion von Lymphknoten imitiert. In dieser Umgebung konnten Zellen von den betroffenen Patienten sich normal zu antikörperbildenden Immunzellen entwickeln.
Richtung der weiteren Forschungen
Die Entdeckung des LTβR-Defekts stellt einen bedeutsamen Fortschritt im Verständnis der Architektur von Immunorganen und deren Bedeutung für die menschliche Gesundheit dar. Der Gruppenleiter Kaan Boztug äußerte, dass eine Knochenmarkstransplantation, die bei anderen Immundefekten oft als Heilung angesehen wird, hier möglicherweise nicht erfolgreich wäre. Dies liegt daran, dass der Defekt nicht die Immunzellen selbst betrifft, sondern die Struktur der lymphatischen Organe beeinträchtigt.
Die Forscher haben sich nun das Ziel gesetzt, die molekularen Mechanismen des LTβR im menschlichen Immunsystem weiter zu erforschen. Dadurch könnten potentielle Therapieansätze entwickelt werden, die den Patienten mit diesem seltenen genetischen Defekt zugutekommen. Diese Erkenntnisse sind für die Behandlung ähnlicher Erkrankungen von erheblicher Bedeutung und könnten letztlich dazu beitragen, die Lebensqualität der betroffenen Kinder erheblich zu verbessern. Weitergehende Informationen über die Studie sind verfügbar unter www.sn.at.
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