Als Anton Bruckner 1880 seine Reise in die Schweiz antrat, war ihm wahrscheinlich nicht bewusst, dass diese Reise sein Leben und seine Musik nachhaltig beeinflussen würde. Bruckner, der am 4. September 1824 geboren wurde, ist heute eine zentrale Figur in der Musikwelt, insbesondere bekannt für seine Sinfonien, die durch monumentale Strukturen und tiefgreifende Spiritualität glänzen. Diese Reise, die viele Eindrücke hinterließ, blieb jedoch sein einziges längeres Ferienabenteuer.
Der Komponist, der sein Leben meist in den vertrauten Landschaften Oberösterreichs und Wien verbracht hatte, war zwar Experte für Kirchenmusik und Orgelkunst, doch seine musikalische Entfaltung ging oft über die geografischen Grenzen seiner Heimat hinaus. Er unternahm nur drei große Reisen ins Unbekannte: nach Nancy und Paris (1868), London (1870) und schließlich in die Schweiz. Gerade dieser letzte Ausflug, inmitten der beeindruckenden Alpenlandschaften, scheint eine Quelle inspirierender Erlebnisse gewesen zu sein.
Ein Blick in die Schweizer Musiklandschaft
Was trieb Bruckner in die Schweiz? Zu dieser Zeit stellte die Eidgenossenschaft in puncto Musik eine etwas unbefriedigende Realität dar. Die reiche Musikkultur der großen Städte wie Wien oder Leipzig war in der Schweiz noch nicht angekommen. Die ersten Steinmauern für die Tonhalle in Zürich wurden erst 1893 gelegt, und auch andere Städte wie Bern oder St. Gallen hatten ihr musikalisches Leben erst aufzubauen. Bruckner, der die Qualität der Orgeln und den Ruf des Montblanc kannte, wollte eine Erholung von seiner oft anstrengenden Routine finden und dennoch neue Inspirationsquellen erschließen.
Am 25. August 1880 setzte Bruckner über den Bodensee nach Romandsbronn über und beschritt Schweizer Boden – ein Erlebnis, das ihm augenscheinlich auch auf emotionaler Ebene bedeutend war. Es war nicht nur die Liebe zur Musik, die ihn antrieb, auch seine Vorliebe für die Frauenwelt, die ihn während der Reise begleitete, könnte nicht unerwähnt bleiben.
Die Reise und ihre Begegnungen
Sein Aufenthalt in Zürich war ein bemerkenswerter, er hatte sich an die schlichte Kargheit der Kirche im Vergleich zur üppigen Barockarchitektur in seiner Heimat schnell angepasst. Zwischen ungewohnten Klängen und der Architektur in Zürich entfaltete sich ein Gespräch mit dem dortigen Organisten, Gustav Weber. Diese Kontakte waren wichtig, um sich mit der lokalen Musikwelt zu vernetzen, war Bruckner doch auch in der Schweiz ein Meister an der Orgel.
Bruckner reiste weiter nach Bern, wo er mit dem Titularorganisten Johann Jakob Mendel zusammentraf. Genau in diesem historischen Kontext, als Mendel sein Fünfzig-Jahr-Jubiläum feierte, wurde Bruckner in Bern ein Stück weit als gleichwertig angesehen. Die Stadt bot ihm eine weitere Perspektive auf die Musikwelt und die Möglichkeit, sich mit anderen großartigen Musikern zu messen.
Ebenso erlebte er an der Stiftskirche Sankt Nikolaus in Freiburg ein besonderes Klangerlebnis: die Mooser-Orgel, mit ihren beeindruckenden fast achttausend Pfeifen, überwältigte ihn dermaßen, dass er seine ursprünglichen Reisepläne beinahe vernachlässigte. Diese Leidenschaft für das Orgelspiel verlieh ihm in der Tat neue künstlerische Anregungen.
Die Hintergründe dieser Reisen könnten seine Wahrnehmung von Natur und dessen Einfluss auf seine Kompositionen verdeutlichen. In den Alpen fand er eine Erhabenheit, die seine musikalischen Ideen und Sensibilitäten formte. Auch der Anblick des Montblanc, welcher Bruckner während seiner Reise verwehrt blieb, schien alles andere als unwichtig für die Inspiration seiner sinfonischen Werke zu sein.
Sei es das gedeihende Gefühl der Ruhe in den Schweizer Bergen oder die eindrucksvollen Begegnungen vor Ort – der Aufenthalt in der Schweiz war für Bruckner mehr als nur eine Entspannung. Es war eine Phase der inneren Entwicklung, die ihn auch zu seinem nächsten Werk inspirierte: das Te Deum, das er im Mai 1881 entwarf.
Sein Aufenthalt in der Schweiz zwischen Berggipfeln und Orgelröhren offenbarte eine Kluft zwischen der großen Welt seines künstlerischen Schaffens und der bspw. knappen Wertschätzung, der er zu Lebzeiten oft gegenüberstand. Diese Reise sollte somit nicht nur eine Flucht aus dem Alltag sein, sondern vielmehr eine Reflexion über die wunderschöne Verbindung von Natur und Musik.
In Anbetracht all dieser Erlebnisse lässt sich erahnen, dass die beeindruckenden Berge, die Klänge der Orgeln und die entscheidenden Begegnungen Bruckners Reisen in die Schweiz tief in seinen zukünftigen Kompositionen nachklangen. Es mag eine Form der musikalischen Transzendenz gewesen sein, die den Menschen Bruckner zeitlebens begleitete. Die Erinnerung an diese „Alpenzeit“ blieb bei ihm, inspiriert von der Stillen Majestät der Natur und den melodiösen Klängen, die sein Leben als Komponist prägten.