Das Internationale Brucknerfest in Linz hat einen prägenden Auftakt erlebt, der von wichtigen Themen und politischen Botschaften geprägt war. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) betonte in seiner Eröffnungsrede die fundamentale Rolle solcher kultureller Veranstaltungen in einer liberalen Demokratie. „Die Freiheit der Kunst ist nur in einer liberalen Demokratie möglich. Wir müssen uns bewusst sein, dass diese Demokratien weltweit unter Druck stehen“, erklärte er besorgt.
In einem bewegenden Appell rief Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) zur Zusammenarbeit im Kulturbereich auf, wobei er auf die Kündigung des Theatervertrags durch die Stadt Linz im Jahr 2018 verwies. „Vielleicht ist dieses Jahr die Gelegenheit für einen Neustart. Ein Neustart für intensivere Zusammenarbeit und eine Abkehr von persönlichen Befindlichkeiten“, so Stelzer.
Erschütternde politische Zeiten
Die Worte des Landeshauptmanns wurden von einer gewissen Melancholie und Sorge durchdrungen, besonders im Hinblick auf die politischen Umwälzungen, die Linz und seine Kultur betreffen. Bürgermeister Klaus Luger, der den Vertrag gekündigt hatte, trat vor kurzer Zeit zurück. Dies sorgte für Unsicherheit und wurde auch von der geschäftsführenden Vizebürgermeisterin Karin Hörzing (SPÖ) angesprochen. Sie äußerte Bedenken über die aktuellen politischen Krisen, mit einem speziellen Fokus auf die Entwicklungen in Deutschland: „Es ist unvorstellbar, was es bedeuten würde, wenn der größte Mitgliedstaat der EU in eine Phase der Unregierbarkeit gerät“, warnte sie eindringlich.
Inmitten dieser Unsicherheiten legte die Philosophin Lisz Hirn in ihrer Festrede den Finger in die Wunde, indem sie die Bedeutung der Kunst für die politische Sensibilisierung herausstellte. Sie forderte das Publikum dazu auf, sich Dissonanzen auszusetzen, um neue Perspektiven zu gewinnen. „Wir dürfen nicht in eine überhöhte Vorstellung der Vergangenheit flüchten“, warnte sie und spannte den Bogen zu Bruckners eigenem Verlangen nach Veränderung in der Kunst.
Kunst als Wegweiser für die Zukunft
Hirn unterstrich die Notwendigkeit, in westlichen Demokratien klar zu zeigen, wofür man steht. „Wenn wir den Algorithmen die Macht überlassen, riskieren wir die Entmündigung unserer Demokratien“, betonte sie und appellierte, Räume zu schaffen, in denen echte Dialoge stattfinden können. „Die Kunst und Kultur haben eine Schlüsselfunktion für das Gedeihen unserer Gesellschaft“, fügte sie hinzu.
Ein positives Momentum wurde auch von Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP) verkündet, die von einem erfolgreichen Brucknerjahr sprach, vergleichbar mit der Europäischen Kulturhauptstadt Linz 09. „Wir haben ein bemerkenswertes Jahresprogramm auf die Beine gestellt, das zeigt, wie wichtig Kultur für unsere Gemeinschaft ist“, so Lang-Mayerhofer.
Das Fest wurde musikalisch vom Bruckner Orchester Linz unter dem Leitung von Chefdirigent Markus Poschner umrahmt. Darunter war eine Uraufführung von Johannes Berauer, die den musikalischen Rahmen bereicherte.
Das Brucknerfest trägt in diesem Jahr das Motto „Unendliche Weiten – Bruckners Werk als Griff nach den Sternen“. Ein Highlight des Festivals ist die erstmalige vollständige Aufführung aller elf Bruckner-Sinfonien, inklusive der weniger bekannten Studiensinfonie und der zurückgezogenen Nullten, durch Originalklang-Orchester. Diese Doppelmoral von bedeutenden Entdeckungen und gleichzeitigem politischem Rückschritt führt zu einer gedämpften Feierlaune, insbesondere im Vorfeld des 200. Geburtstags von Anton Bruckner im kommenden Jahr.
Dennoch bleibt der Gedanke an das große Jubiläum bestehen, während die politische Landschaft und die Herausforderungen, die mit ihr einhergehen, das Brucknerfest in einem Zwiespalt zwischen Vorfreude und Sorge halten. In dieser angespannte Atmosphäre wird deutlich, wie tief verwoben Kunst, Kultur und das gesellschaftliche Miteinander sind und welches Gewicht sie in Krisenzeiten tragen.