Es ist schwer vorstellbar, aber vor 100 Jahren war die Idee einer Autobahn noch neu und revolutionär. Am 21. September 1924 wurde die erste richtige Autobahn der Welt, die Autostrada, zwischen Mailand und Varese in Italien eröffnet. Diese Eröffnung bringt uns die Erinnerung daran, dass das Konzept der Autobahn eine ganz andere Geschichte hat, als oft angenommen wird. In der öffentlichen Wahrnehmung wird häufig fälschlicherweise Adolf Hitler als der Erfinder der Autobahn genannt – eine Aussage, die als historischer Irrtum angesehen werden kann.
Der wahre Ursprung der Autobahnidee geht auf den Unternehmer Piero Puricelli zurück, der auch die berühmte Rennstrecke in Monza baute. Sein Unternehmen, die Società Anonima Autostrade, entwickelte ein System für gebührenpflichtige Straßen ohne Hindernisse. Zu den damaligen Zeiten waren Autos rar; lediglich 57.000 Pkw fuhren damals über die italienischen Straßen. Stattdessen nutzten die Menschen vor allem Pferdekarren und die Bahn für längere Reisen.
Die erste Fahrt auf der Autostrada
Zur Eröffnung der Autostrada war prominente Gesellschaft anwesend, allen voran König Vittorio Emanuele III., der mit einem Lancia die erste Fahrt absolvierte und das Eröffnungsband durchschnitt. Die Veranstaltung wurde als Erfolg gefeiert, die Tageszeitung „La Tribuna di Roma“ war begeistert von der neuartigen, reibungslos befahrbaren Oberfläche der Straße ohne Verkehrshindernisse. Zu dieser Zeit war noch nicht abzusehen, dass die Menschen eines Tages die Autobahnen in Massen nutzen würden.
In den Anfangsjahren rechneten die Verantwortlichen mit täglich 1.000 Fahrzeugen, jedoch waren es nur einige Dutzend, da die Strecke nachts geschlossen war. Erst 1925 wurde der nächste Abschnitt eröffnet, der zur Stadt Como führte, die heute durch die stark befahrene A9 verbunden ist.
Hitlers Fehlinformationen und Mussolinis Konkurrenz
Während die Autobahn in Italien ihren Anfang nahm, war Hitler zu diesem Zeitpunkt wegen eines gescheiterten Putsches im Gefängnis. Erst nach seiner Machtergreifung 1933 wurden in Deutschland Autobahnprojekte bekannt gemacht, die jedoch auf Plänen aus den 1920er Jahren basierten. In der deutschen Wahrnehmung wurde die Autobahn jedoch glorifiziert, und die Pläne wiesen auf eine monumentale Umsetzung hin, die für das nationalsozialistische Regime charakteristisch war.
Benito Mussolini, der italienische Diktator, sah die Eröffnung der Autostrada als großen Erfolg der italienischen Ingenieurskunst und machte propagandistische Anzeichen der Überlegenheit über Deutschland geltend. Historiker wie Conrad Kunze heben hervor, dass Mussolini Fillialausgaben in Bezug auf Geld und Propaganda hinter Hitler zurückblieben. Letztendlich wurden die deutschen Autobahnprojekte größer und umstrittener in ihrer Bedeutung.
Interessanterweise gab es in den USA frühere Versuche, ähnliche Straßen zu etablieren. Die Long Island Motor Parkway wurde 1908 eröffnet, jedoch hauptsächlich als Rennstrecke genutzt, ganz im Gegensatz zur tatsächlichen öffentlichen Nutzung der heutigen Autobahnen.
Jubiläumsfeierlichkeiten zur ersten Autostrada werden in diesem Jahr veranstaltet. Ein Highlight wird sein, dass an diesem Samstag die Nutzung der Straße kostenfrei ist. Zudem können Autoenthusiasten Fahrzeuge aus den letzten 100 Jahren erleben und sehen, wie viel sich im Straßenverkehr verändert hat. Heute kosten die Autobahngebühren für Pkw in Italien für eine einfache Strecke einheitlich 3,80 Euro, was in der damaligen Zeit unvorstellbar gewesen wäre, als die Preise zwischen 9 und 60 Lire lagen. Für mehr Informationen zu dieser Thematik kann der ausführliche Bericht auf www.idowa.de gelesen werden.