Vom 8. bis 10. Oktober fand in Wiener Neustadt das Theresianische Militärakademische Forum (TMAF) statt, bei dem hochrangige Militärführer zusammentrafen, um über aktuelle Entwicklungen in der Kriegsführung zu diskutieren. Oberst Markus Reisner sprach dabei über die Veränderungen, die sich im Kontext des Ukraine-Kriegs ergeben haben. Der Schwerpunkt seiner Ausführungen lag auf den unterschiedlichen Taktiken, die vorgestellt wurden und deren Bedeutung für die Kriegführung.
Laut Reisner hat sich die russische Kriegsführung seit dem Kalten Krieg nicht grundlegend verändert. Die jahrzehntealten Ausbildungsrichtlinien sind nach wie vor gültig, jedoch haben sich die taktischen Ansätze diesen neuen Gegebenheiten angepasst. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von leichteren Truppen, die mit Motorrädern ausgestattet sind, was an Taktiken aus dem Zweiten Weltkrieg erinnert.
Drohnen verändern das Schlachtfeld
Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in der modernen Kriegsführung ist der massive Einsatz von Drohnen. Diese Technologie hat das Gefechtsfeld revolutioniert, besonders im Vergleich zu historischen Konflikten. Reisner zieht einen Vergleich zu den Stacheldrähten und Maschinengewehren des Ersten Weltkriegs und stellt fest, dass die unzähligen Drohnen von heute eine ähnliche Pattsituation wie damals erzeugen. Ein entscheidender Vorteil von Drohnen ist die ständige Überwachung des Gegners auf dem sogenannten „gläsernen Gefechtsfeld”. Die fortschrittliche Technologie ermöglicht es, dass Drohnen mithilfe von Künstlicher Intelligenz ihre Ziele selbstständig auswählen und angreifen können. Diese modernen Angriffe stellen herkömmliche Schutzmaßnahmen wie Schützengräben in Frage. „Die Drohne sieht die Soldaten und stürzt sich in sie hinein”, erklärt Reisner eindringlich.
Ein weiteres zentraler Punkt der Diskussion war die Fähigkeit, verschiedene Streitkräfte synchron zu operieren. Dies sei eine wichtige Tatsache, die beim ukrainischen Angriff im vergangenen Jahr entscheidend war. Laut Reisner scheiterte die Offensive in der Sommerzeit 2022 unter anderem an der unzureichenden Koordination der Luftstreitkräfte. Bis zu 70 Prozent der ukrainischen Soldaten seien verwundet oder gefallen, was die Effektivität erheblich beeinträchtigen könne. Im Gegensatz dazu hat Russland die Möglichkeit, mehr Soldaten einzusetzen, auch wenn die eigenen Truppen ebenfalls hohe Verluste erlitten haben.
Reisner betonte die Notwendigkeit, weitreichende Waffensysteme zu nutzen, die in der Lage sind, ihren vollen Effekt zu entfalten. Doch viele dieser Systeme, wie der Raketenwerfer Himars, sind durch russische Störsender stark beeinträchtigt worden. „Die Trefferwahrscheinlichkeit eines Himars sank von 80 bis 90 Prozent auf nur 30 bis 50 Prozent”, warnte er. Dessen Wirkung sei, anders als im vergangenen Jahr, stark abgeschwächt worden, was die Offensive der Ukraine entscheidend einschränke.
Die Bedeutung der Luftabwehr wurde ebenfalls hervorgehoben. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde diese oft als obsolet angesehen, doch in der gegenwärtigen Situation zeigt sich, dass sie entscheidend ist, um den massiven Raketenangriffen standzuhalten. Russland hat in der laufenden Auseinandersetzung mehr als 10.000 Raketen eingesetzt und produziert monatlich weitere 100 bis 120, was die Lage für die Ukraine dramatisch erschwert.
Die strategische Ebene des Konflikts
Die Analyse des Krieges endete nicht auf operativer Ebene, sondern umfasste auch die strategischen Aspekte. Reisner hob hervor, dass die moderne Kriegsführung auch im Weltraum entschieden wird. Ohne das Satellitennetzwerk von Elon Musk, bekannt als Starlink, könnten viele militärische Operationen, insbesondere die Steuerung von Drohnen, nicht durchgeführt werden. Auch der Cyberraum spielt eine zunehmend wichtige Rolle, insbesondere bei der Beeinflussung öffentlicher Meinungen und Wahlverhalten in Europa.
Abschließend macht Reisner deutlich, dass es trotz strategischer Erfolge immer möglich ist, auf taktischer Ebene zu verlieren, besonders wenn man den Gegner unterschätzt. Dies stellt für die Ukraine eine erhebliche Herausforderung dar, vor allem, nachdem man die Anpassungsfähigkeit der russischen Kräfte unterschätzt hatte. „Das Ergebnis sehen wir jetzt”, fügt er mit Nachdruck hinzu.