Das Thema Besitzstörung hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, was sich auch in der Arbeit der Rechtsberatung des ÖAMTC widerspiegelt. Jährlich erreichen die Beratungsstelle Hunderte von Anfragen zu diesem Thema. Nikolaus Authried, Leiter der Rechtsberatung, erklärt: „Das Problem ist, dass sich in den vergangenen Jahren, gestützt durch die Gerichte, ein Geschäftsmodell etabliert hat.“ Dabei gibt es beträchtliche Unterschiede darin, wie mit solchen Fällen in unterschiedlichen Regionen umgegangen wird. Während beispielsweise im Bereich des Landesgerichts Wiener Neustadt eine formlose Unterlassungserklärung schon ausreichen kann, sind in Wien oft horrende Summen gefordert.
Ein Grundstücksbesitzer kann unter verschiedenen Umständen eine Besitzstörung geltend machen. Authried verdeutlicht das mit einem Beispiel: „Wenn man auf dem Parkplatz eines Supermarkts parkt und danach zur Apotheke geht, gilt das bereits als Besitzstörung.“ Der Eigentümer muss lediglich nachweisen, dass sein Besitz gestört wurde, während der mutmaßliche Störer darlegen muss, dass keine Wiederholungsgefahr besteht. Die Annahme, dass ein wiederholtes Stören wahrscheinlicher ist, spielt hier eine zentrale Rolle.
Unfaire Praktiken und Herausforderungen
Martin S. steht exemplarisch für die Herausforderungen vieler, die eine Erklärung für finanzielle Forderungen suchen. In seinem Fall wurde ihm eine Forderung gestellt, weil er nicht an seinem Auto geblieben war, um eine verlorene Brieftasche zu suchen. „Vor Gericht wird oft mit Lebenserfahrung argumentiert: Wie verhalten sich Menschen und was ist wahrscheinlich?“, erläutert Authried. Um eine Klage erfolgreich abzuwehren, wären direkte Beweise notwendig gewesen, etwa in Form von Zeugen oder Videoaufnahmen.
Der ÖAMTC hat nichts gegen den Schutz des Eigentums, sieht jedoch die Höhe der Ansprüche als problematisch an. Oft müssen Personen Summen von rund 400 Euro zahlen, was weit über Martins Fall hinausgeht. In den letzten Jahren entwickelte sich ein florierendes Geschäftsmodell rund um die Thematik. Firmen wie „Zupf di“ haben im Auftrag von Grundstückseignern Zahlungsaufforderungen verschickt, was jedoch durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gestoppt wurde. Nur Grundstücksbesitzer oder deren Rechtsanwälte dürfen solch eine Kommunikation initiieren, und obwohl die Firmen aus diesem Geschäftsfeld herausgedrängt wurden, schaffen sie es weiterhin, als Vermittler Geld zu verdienen.
Von vielen Autofahrern wird dieses Vorgehen oft als „Abzocke“ wahrgenommen, besonders wenn an einem gleichen Ort wiederholt Besitzstörungsforderungen eintreffen. Authried fragt sich, warum Eigentümer nicht aktivere Maßnahmen ergreifen, wenn sie wiederholt betroffen sind, anstatt nur auf rechtliche Schritte zurückzugreifen. „Ein größeres Schild oder andere Vorkehrungen könnten viel helfen“, so Authried.
Finanzielle Folgen und Lösungen
Das Geschäftsmodell lebt von der Einschüchterung der Betroffenen, wobei die Zahlungen oft so kalkuliert sind, dass sie hoch genug sind, um Gewinne abzuwerfen, aber nicht so hoch, dass die Störer sich gegen die Forderungen wehren. Authried erklärt: „Solche Modelle funktionieren nur, wenn die Causa außergerichtlich geklärt wird und die Leute bezahlen.“ Je weniger Menschen jedoch bereit sind, zu zahlen, desto schneller könnte das Modell zusammenbrechen.
Kommt es allerdings zu einer Klage, so wird das für den Störer meist teurer, während der Grundstückseigentümer nicht immer die gesamte Summe erhält. Ein großer Teil der Kosten fließt in die Prozessführung. Authried hebt hervor, dass es in Gerichtsverfahren nicht primär darum geht, möglichst viel Geld zu gewinnen, sondern vielmehr um die Feststellung einer Störung und deren Unterlassung in Zukunft.
Die gesetzliche Deckelung der außergerichtlichen Forderungen auf etwa 70 Euro wird vom ÖAMTC als notwendiger Schritt angesehen, um die Auswüchse dieses Geschäftsmodells einzudämmen. Dennoch ist eine solche Regelung momentan nicht in Sicht. Der ÖAMTC empfiehlt daher, eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. In bestimmten Fällen ist es durchaus möglich, die Forderungen abzuwehren. Martin S. musste letztlich jedoch die geforderten 198 Euro begleichen.