Tulln

Konrad Lorenz: Zwischen Nobelpreis und NS-Vergangenheit – Eine Aufarbeitung in Tulln

Konrad Lorenz: Nobelpreisträger und NS-Ideologe – In Tulln wird nun seine kontroverse Vergangenheit auf einer Zusatztafel thematisiert!

Das Thema Konrad Lorenz erweist sich als äußerst vielschichtig, insbesondere wenn man die unterschiedliche Wahrnehmung seiner Person betrachtet. Auf der einen Seite wird er als Nobelpreisträger und als Wegbereiter der vergleichenden Verhaltensforschung gefeiert. Auf der anderen Seite gibt es dunkle Kapitel in seiner Vergangenheit, die nicht ignoriert werden können. Diese Widersprüchlichkeit wird nun durch eine neu angebrachte Zusatztafel an der Konrad-Lorenz-Straße in Tulln beleuchtet.

Am 11. November 2024 versammelten sich in Tulln BOKU-Rektorin Eva Schulev-Steindl, Bürgermeister Peter Eisenschenk und Zeithistoriker Oliver Rathkolb, um diese wichtige Informationstafel zu enthüllen. Der zentrale Zweck dieser Tafel ist es, auf die problematischen Aspekte von Lorenz' Biografie hinzuweisen, die er selbst zu Lebzeiten versuchte, zu verschleiern. Ein besonders aufschlussreicher Punkt war Lorenz' Anpassung an die nationalsozialistische rassistische Terminologie, eine Tatsache, die er bei seiner Nobelpreisverleihung 1973 in Oslo bedauerte.

Verantwortungsvolle Aufarbeitung

Die Tafel steht nicht nur symbolisch für Lorenz' wissenschaftliche Errungenschaften, sondern auch für die Notwendigkeit, sich mit der dunklen Geschichte auseinanderzusetzen. „Wir als BOKU sehen uns in der Verantwortung, alle Aspekte der NS-Vergangenheit unserer Universität aufzuarbeiten“, erklärte Rektor Schulev-Steindl. In Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde Tulln wurde ein Gutachten beim Historiker Rathkolb in Auftrag gegeben, um Lorenz' Nähe zum Nationalsozialismus sorgfältig zu analysieren.

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Der Bürgermeister von Tulln, Peter Eisenschenk, unterstrich die Relevanz dieses Vorgehens: „Fundiertes Wissen um die NS-Vergangenheit Österreichs ist bedeutend, um eine solche Gesinnung nicht wieder aufkeimen zu lassen. Die Absicht sowie die eindrucksvollen wissenschaftlichen Leistungen von Konrad Lorenz waren ausschlaggebend dafür, die Straße nicht umzubenennen, sondern vor Ort Informationen bereitzustellen und Lehren zu ziehen.“

Der Weg zur kritischen Wissenschaft

In dem Gutachten von Oliver Rathkolb wird deutlich, dass Lorenz sich aktiv der nationalsozialistischen Ideologie angenähert hat. „Er hat sich intensiv und öffentlich in seinen Publikationen an die nationalsozialistische rassistische Terminologie angepasst und die staatlichen rassistischen Gesetze wohlwollend akzeptiert“, so Rathkolb. Dies wirft ein kritisches Licht auf Lorenz' Begriff von Wissenschaft und Ethik.

„Eine selbstkritische Wissenschaftskultur sollte sich gerade bei herausragenden Persönlichkeiten vom traditionellen Geniekult verabschieden und die politischen Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Arbeit offen ansprechen und hinterfragen“, erläuterte Rathkolb weiter. Diese differenzierte Betrachtung ist von großer Bedeutung, um die Komplexität der Persönlichkeit Lorenz' zu begreifen und seiner Beiträge zur Wissenschaft einer sorgfältigen Bewertung zu unterziehen.

Ergänzend dazu kann man auf den Link zur BOKU-Website verweisen, der Fotos, den Text der Zusatztafel sowie das Gutachten von Prof. Rathkolb enthält. Dies bietet eine zusätzliche Perspektive für Interessierte, die sich intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen möchten. Informationen finden Sie hier.

Das öffentliche Bewusstsein rund um Konrad Lorenz wird durch solche Initiativen entscheidend geprägt. Die angebrachte Tafel ist nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit, sondern auch ein Appell an die Gegenwart, sich kritisch mit wissenschaftlichen und ethischen Fragestellungen auseinanderzusetzen.


Details zur Meldung
Quelle
boku.ac.at

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