
In der Konrad-Lorenz-Straße in Tulln, Niederösterreich, gibt es nun eine Zusatztafel, die auf die Verstrickungen des Namensgebers mit der nationalsozialistischen Ideologie hinweist. Dieser Schritt wurde durch ein Gutachten des renommierten Zeithistorikers Oliver Rathkolb angeregt und ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen der Stadtgemeinde Tulln und der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien.
Der Zoologe und Nobelpreisträger Konrad Lorenz (*1903, †1989) gilt als Pionier der Verhaltensforschung. Trotz seiner bedeutenden wissenschaftlichen Beiträge wird seine Nähe zum Nationalsozialismus jedoch zunehmend kritisch hinterfragt. In den jüngsten Entwicklungen betonten die Stadt Tulln und Boku-Vertreter die Notwendigkeit, Lorenz’ ambivalente Persönlichkeit im historischen Kontext zu betrachten.
Aufarbeitung der NS-Vergangenheit
Die Enthüllung der Tafel fand am Montag statt, geleitet von Vertretern beider Institutionen. Historiker Rathkolb formulierte auf der Tafel die zentrale Herausforderung: Während Lorenz bei der Nobelpreisverleihung bedauerte, dass er sich in seinen Veröffentlichungen an die rassistischen Terminologien des Nationalsozialismus angepasst hatte, verschwieg er gleichzeitig seine Mitgliedschaft in der NSDAP sowie seine antisemitischen Äußerungen. Diese Widersprüchlichkeit ist für die Verantwortlichen ein wichtiges Thema, wie Boku-Rektorin Eva Schulev-Steindl und Bürgermeister Peter Eisenschenk (ÖVP) feststellten.
Eisenschenk erklärte, dass ein fundiertes Verständnis der nationalsozialistischen Vergangenheit notwendig sei, um ähnliche Gesinnungen in der Zukunft zu verhindern. Dennoch entschieden sich die Behörden, die Straße nicht umzubenennen, sondern stattdessen Informationen zur Geschichte Lorenz’ bereitzustellen. Die Tafel würdigt Lorenz zugleich als bedeutenden Wissenschaftler und Umweltschützer, wirft jedoch auch Fragen zu seinem Erbe auf.
Rathkolb hebt hervor, dass Lorenz’ Verhältnis zu den nationalsozialistischen Idealen in seinen Arbeiten problematisch war. Er äußert, dass selbst Nobelpreisträger widersprüchliche sowie komplexe Persönlichkeiten sein können und appelliert an eine kritische Wissenschaftskultur. Es müsse eine Abkehr vom "Geniekult" stattfinden, um eine realistischere Sicht auf das Engagement von Wissenschaftlern im Rahmen ihrer Zeit zu fördern.
Die Zusatztafel und die begleitende Diskussion sind Teil eines kontinuierlichen Prozesses der Aufarbeitung, der auch bei weiteren Institutionen Einzug halten könnte. Während einige sich vielleicht mit der Vergabe von Namen an historische Persönlichkeiten schwer tun, versuchen Tulln und die Boku, eine Balance zwischen Ehrung und kritischer Auseinandersetzung zu finden. Mehr Informationen über diese wichtigen Themen rund um die Geschichte Konrad Lorenz' sind hier zu finden.
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