Niederösterreich und Wien – eine Hassliebe, die seit Jahrzehnten besteht
Die Rivalität zwischen Niederösterreich und Wien ist so alt wie die Abgrenzung zwischen den beiden Bundesländern selbst. Schon im Jahr 1986 kam es zu einer Volksbefragung, bei der die Niederösterreicher die Möglichkeit hatten, eine eigene Hauptstadt zu wählen. St. Pölten setzte sich dabei gegen andere Kandidaten wie Krems, Baden und Wiener Neustadt durch.
Seitdem hat sich Niederösterreich sukzessive von Wien emanzipiert. Die Landesregierung und -verwaltung zogen in den 90er-Jahren endgültig nach St. Pölten um, was die Eigenständigkeit des Bundeslandes besiegelte. Diese Entwicklung war ein wichtiger Schritt in Richtung einer eigenen Identität für Niederösterreich.
Die Trennung von Wien im Jahr 1922 hatte politische Gründe und führte dazu, dass das Land einige Kunstschätze austauschen musste. Dennoch dauerte es lange, bis sich ein starkes Landesbewusstsein bei den Niederösterreichern entwickelte. Die politische Landschaft war lange Zeit von der dominierenden ÖVP geprägt, was auf die politische Kleinteiligkeit des Bundeslandes zurückzuführen ist.
In den letzten Jahren haben sich jedoch erste Veränderungen gezeigt. Bei der Landtagswahl 2023 erlitt die ÖVP einen historischen Verlust, während die FPÖ als „Wachstumsmarkt“ betrachtet wurde. Die SPÖ hatte stets eine treue Wählerschaft, während die Grünen und Neos aufgrund der ländlichen Prägung Niederösterreichs weniger Rückhalt fanden.
Trotz der politischen Entwicklungen bleibt Niederösterreich ein Bundesland mit einer Vielzahl von Gemeinden und einer starken konservativen Ausrichtung. Das Fehlen einer klaren Identität und das geografische Zerfallen in verschiedene Viertel machen es zu einer Herausforderung, ein einheitliches Landesgefühl zu entwickeln.
St. Pölten mag zwar die Hauptstadt sein, aber die Verbindung zu Wien bleibt bestehen. Die Einwohner schätzen das ländliche Flair der Stadt und die Nähe zur Bundeshauptstadt. Die Hassliebe zwischen Niederösterreich und Wien ist eine facettenreiche Beziehung, die geprägt ist von Eigenständigkeit, Tradition und politischer Vielfalt.
