Der Fall eines 61-jährigen Österreichers, der wegen Drogenhandels vor dem Landgericht Gießen angeklagt ist, sorgt für Aufsehen. Im Rekordtempo hat dieser Mann ein umfangreiches Vorstrafenregister angesammelt, das seine kriminelle Laufbahn eindrucksvoll dokumentiert. Angesichts seiner bemerkenswerten Biografie stellt sich die Frage, wie es zu einem solch drastischen Lebenswandel kommen konnte. Der Prozess liefert nicht nur Einblicke in seine Taten, sondern auch in die Psyche eines Mannes, der anscheinend immer wieder in das kriminelle Milieu zurückkehrt.
Der Angeklagte und seine Vergangenheit
Der Beschuldigte, geboren 1962 in Krems, war zunächst ein ganz normaler Bürger mit einer klassischen Karriere: Nach einer abgebrochenen Ausbildung zum Maschineningenieur und verschiedenen Berufen als Versicherungsvertreter und Technischer Zeichner wandte er sich der Kunst zu. Er beschloss, seine Talente auszuleben und nahm Schwünge in die „Frankfurter Schicki-Micki-Szene“, wo der Kontakt zu Drogen ein zentraler Punkt seines Lebens wurde.
Die Anklagepunkte und das Strafregister
Die Anklage umfasst mehrere Vorwürfe des Drogenhandels, untermauert durch ein eindrucksvolles Vorstrafenregister. Bereits im Jahr 1993 wurde der Angeklagte zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, und im Laufe der Jahre folgten nachweislich weitere Verurteilungen: 1997 gab es eine Strafe von zweieinhalb Jahren, 2001 schließlich fünf Jahre und 2006 eine Haftstrafe von neun Jahren, von der er knapp sechs absaß. Es ist kein Wunder, dass Staatsanwalt Tom Bayer bei der Verlesung dieser Urteile mit einer Mischung aus Unglauben und Bedauern sprach: „So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört.“
Der Blick auf das Gericht
Vor Gericht gab der Angeklagte an, dass er während seiner Gefängnisaufenthalte nichts aus seiner Vergangenheit gelernt habe. „Am kriminellen Lebensstil des Angeklagten hat sich nichts geändert“, so die Richter in ihren Urteilen. Die Frage, die alle bewegt, ist, welche psychischen Hintergründe diesen Mann antreiben. Strafverteidigerin Andrea Kathrin Wetz beantragte daher ein psychiatrisches Gutachten, um den Einfluss seines Drogenkonsums auf seine Taten zu beleuchten.
Die Verteidigungsstrategie
Die Verteidigung präsentiert den Angeklagten als einen Mann, der unter dem Druck seines Drogenkonsums leidet. „Der Hang meines Mandanten zum ausgiebigen Drogenkonsum führt zu einer erhöhten Gefahr, wieder straffällig zu werden“, argumentiert Wetz. Doch Staatsanwalt Bayer, irritiert von diesem späten Antrag, wies die Idee zurück, da die Vorstrafen bereits bekannt waren. Er stellte klar, dass ein Drogensüchtiger nicht von seinen Taten befreit werden kann, und es wenig Sinn mache, die Verantwortung einfach auf den Drogenkonsum abzuwälzen.
Die nächsten Schritte im Prozess
Der Prozess wird in den kommenden Tagen fortgesetzt, und sowohl die Verteidigung als auch die Anklage werden ihre Plädoyers präsentieren. Das Gericht steht vor der Herausforderung, nicht nur die rechtlichen Aspekte zu bewerten, sondern auch das komplexe Zusammenspiel von persönlicher Tragödie, Drogenabhängigkeit und wiederholten kriminellen Handlungen. Das Urteil wird, voraussichtlich bereits am Mittwoch, das sechste in einer langen Reihe von Verurteilungen für diesen Mann darstellen.
Warum es relevant ist
Diesen Fall zu beobachten, ist nicht nur wichtig für die Justiz, sondern er hinterfragt auch grundlegende gesellschaftliche Themen. Was treibt einen Menschen in den Delinquentenstatus und warum gelingt es vielen nicht, aus ihrem Lebensstil auszubrechen? Dies ist insbesondere der Fall, wenn man die Technologie, die Gesellschaft und die Unterstützungssysteme betrachtet, die den Einzelnen möglicherweise schon frühzeitig auf eine andere Bahn hätten lenken können. Es ist ein Fall, der sicherlich noch lange Gespräche auslösen wird, über den Einfluss von Drogen, die Strukturen unserer Justiz und die Möglichkeiten von Rehabilitation.