Gmünd

Psychiatrie im Fokus: Thomas Sautners neuer Roman über Grenzen der Normalität

Auf den psychologischen Höhen Wiens, wo das Otto-Wagner-Spital die Grenzen zwischen Normalität und Wahnsinn erkundet, trifft der schräge Primarius Lobell auf skurrile Patienten und dunkle Geheimnisse!

„Pavillon 44“ von Thomas Sautner, veröffentlicht beim Picus Verlag, entführt die Leser in eine fesselnde Welt voller psychischer Komplexität und fragwürdiger Normalität. Auf den ersten Blick wirkt der Roman mit seinen 458 Seiten und einem Preis von 26 Euro nicht wie ein typisches Werk des 1970 in Gmünd geborenen Autors. Doch Sautner schafft es, die Leser in das Otto-Wagner-Spital auf der Baumgartner Höhe in Wien mitzunehmen, wo die Behandlung psychischer Erkrankungen im Mittelpunkt steht. Die essenzielle Frage, die sich durch den gesamten Roman zieht, ist: Wie verrückt sind wir eigentlich?

Das Szenario, in dem die Handlung spielt, wirft einen satirischen Blick auf die Grenzen zwischen „Normalität“ und „Ausnahmezustand“. Mit einem starken Fokus auf die psychischen Unwägbarkeiten unserer Zeit stellt der Autor durch seine Recherchen von 2010 bis 2015 tiefgründige Überlegungen dazu an. Gleichzeitig bindet er eine Schriftstellerin in die Erzählung ein, die im Pavillon 44 die Entstehungsgeschichte erkunden soll, wodurch Sautner eine beeindruckende Distanz zu seinen Charakteren und deren Geschichten wahrt.

Einblicke in die Seelenlandschaft

Die Protagonistin Aliza Berg sowie der Primar Siegfried Lobell repräsentieren ein faszinierendes Duo, das den Lesern durch die verworrenen „Dickichte menschlicher Seelenlandschaften“ begegnet. Lobell, ein versierter Psychiater, genießt ein gewisses Maß an Freiheit in seinem kreativen Umgang mit Patienten, unterstützt durch seine Connection zum Wiener Bürgermeister. Während er die spannendsten Fälle behandelt, steht er im Kontrast zu seinem ehrgeizigen Kollegen Christian Thaler, der die Routinearbeit übernimmt, vor allem den Einsatz von Psychopharmaka. Hier entsteht ein spannendes Zusammenspiel zwischen dem Einsatz traditioneller und unkonventioneller Behandlungsmethoden.

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Viele kleine Anekdoten zeigen, wie sich „Normalität“ und „Verrücktheit“ vermischen. Ein Patient hält sich nicht nur für Jesus, sondern verkörpert auch dessen Aussehen, während ein anderer ständig rätselhafte Antworten gibt, die die Autorin dazu bringen, ihre eigenen Wahrnehmungen zu hinterfragen. Das Spiel zwischen Wahn und Sinn entfaltet sich in vielen Kombinationen und zeigt, dass die Grenze zwischen gesundem Zustand und psychischer Erkrankung oft verschwommen ist.

Die Begegnungen mit den „Verrückten“ lassen Aliza Berg sich selbst hinterfragen: Könnte sie nicht selbst zur Patientin werden, beeinflusst von ihren emotionalen Reaktionen während der Therapie? Das Spiel mit der eigenen Verletzlichkeit führt zu einer intensiven Auseinandersetzung mit ihrem Inneren. Hier wird die Frage aufgeworfen, ob die Medikamente, die ihr heimlich verabreicht werden, eine Rolle spielen, oder ob sie einfach das Resultat ihrer Begegnungen sind. Das ist eine unbehagliche, aber auch fesselnde Überlegung, die den Leser zum Nachdenken anregt.

Obwohl Sautner in seinem Werk keinen klassischen Krimi fabriziert, wechselt die Handlung eines Teils der Erzählung den Fokus und lässt die Protagonisten von der vertrauten Umgebung des Spitals in andere Szenarien Entkommen, wie etwa in den Stephansdom, wo Jesus eine spektakuläre Predigt hält. Diese Abweichung vom gewohnt strengen Rahmen hebt die narrative Freiheit, jedoch auch die Unschärfe des ursprünglichen Erzählfokus. Sautner führt seine Charaktere in ungewohnte Situationen, während sich der Primar Lobell entschieden dazu entschließt, seine eigenen Psychopharmaka abzusetzen, was die Stabilität der gesamten Geschichte in Frage stellt.

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Die Erzählung verliert an Stringenz und könnte als Traumerzählung betrachtet werden, die sowohl fantastisch als auch unterschiedlich organisiert ist. Das Ende des Romans, ergänzt durch das im Postskriptum enthaltene Kleingedruckte, trägt zur Entfaltung eines neuen Erzählrhythmus bei, der den Leser herausfordert, die eigene Sichtweise auf das, was „normal“ und „verrückt“ ist, zu hinterfragen.

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